BOZEN – Der vom italienischen Ministerrat am 9. April vorgelegte Entwurf zur Reform des Südtiroler Autonomiestatuts stößt auf scharfe Kritik. Der Vorschlag enthält zahlreiche Zugeständnisse an die italienische Volksgruppe, während zentrale Interessen der deutschsprachigen Bevölkerung unberücksichtigt bleiben. Gleichzeitig werden bisherige Landeskompetenzen ausgehöhlt, ihre Finanzierung bleibt ungeklärt.
Der Begriff des „nationalen Interesses“ wird – entgegen früherer Entwürfe – wieder eingeführt und dient künftig als Rechtfertigung für staatliche Eingriffe in autonome Zuständigkeiten. Damit bleibt ein wesentliches Einfallstor für Zentralisierung offen.
Die geplante Einvernehmensklausel, laut der Änderungen am Autonomiestatut nur mit Zustimmung des Landes erfolgen dürften, ist de facto wirkungslos: Laut Art. 103 Abs. 3 des Entwurfs kann der Landtag in zweiter Lesung vom Parlament überstimmt werden. Ein echter Schutz der Autonomie sei so nicht gewährleistet.
Schutzfunktion Österreichs geschwächt
Die Rolle Österreichs als Schutzmacht Südtirols werde erheblich abgewertet. Der Schutz wird auf nationale Mechanismen verlagert – die in der Vergangenheit oftmals ignoriert wurden. Ein klarer Rückschritt in der internationalen Verankerung der Autonomie.
Ansässigkeitsklausel: Rückschritt statt Fortschritt
Die Verkürzung der Ansässigkeitsdauer von vier auf zwei Jahre – verbunden mit der sogenannten „historischen Ansässigkeit“ – führe zu einer Aushöhlung des Minderheitenschutzes. In anderen europäischen Minderheitenregionen gelten längere Fristen als Voraussetzung für das Wahlrecht – Südtirol geht hier einen bedenklichen Sonderweg.
Einseitige Zugeständnisse
Weitere Regelungen – etwa zur Zusammensetzung der Landesregierung nach Proporz oder zur Vertretung in Gemeindeausschüssen – stärken einseitig die italienische Volksgruppe. Für die deutsche oder ladinische Volksgruppe sind keine gleichwertigen Verbesserungen vorgesehen.
Kompetenzzuwächse ohne Substanz
Die groß angekündigten „Kompetenzerweiterungen“ – etwa im Beschaffungswesen, Umwelt- oder Wildtiermanagement – sind vage formuliert und an das „Landesinteresse“ gebunden. Zudem wurden zentrale Elemente wieder gestrichen. Zurück bleiben potenziell kostspielige Verwaltungsaufgaben ohne klare Zuständigkeit oder Finanzierung.
Unnötige Italianisierung des Begriffs „Südtirol“
In der deutschen Fassung des Autonomiestatuts soll künftig zusätzlich zur Bezeichnung „Südtirol“ auch „Alto Adige“ verwendet werden. Dieser Schritt stellt eine unnötige und historisch nicht gerechtfertigte Italianisierung eines gewachsenen deutschen Begriffs dar.
Forderung nach transparenter Diskussion und Nachbesserung
Der bisherige Prozess erfolgte ohne öffentliche Diskussion oder Abstimmung im Südtiroler Landtag. Die Reform enthält gravierende Schwächen und bringt der Südtiroler Autonomie keine echten Fortschritte.
Gefordert wird:
- Eine öffentliche Debatte unter Einbindung unabhängiger Experten.
- Die Streichung des Begriffs „nationales Interesse“, die Beibehaltung der bisherigen Ansässigkeitsregelung sowie die Ablehnung der Italianisierung der Landesbezeichnung.
- Eine wirkungsvolle Einvernehmensklausel – oder deren vollständige Streichung.
- Eine Folgekostenabschätzung der neuen Kompetenzen: Wer trägt die erheblichen finanziellen und personellen Belastungen? Welche Mittel stehen zur Verfügung?
„Diese Reform ist nicht geeignet, die Autonomie Südtirols zu stärken. Sie bedeutet Rückschritte, schafft Unsicherheiten und verursacht erhebliche Folgekosten. Was als Fortschritt verkauft wird, entpuppt sich als Mogelpackung. ‚Ende der Fahnenstange‘ – ja, bitte: bei diesem überflüssigen und schädlichen Reformprojekt“, hält Landeskommandant Roland Seppi fest.