GRIES – Am Sonntag den 27. März 2022 fand in Gries bei Bozen der Bezirkstag des Schützenbezirks Bozen statt. Ausrichtende Kompanie war die Schützenkompanie „Mjr. Josef Eisenstecken“ Gries. Als Ehrengäste anwesend war der Vize-Bürgermeister der Stadtgemeinde Bozen Luis Walcher, L.Abg. Franz Locher und der Präsident der Bezirksgemeinschaft Überetsch/Unterland Hansjörg Zelger.
Teilgenommen hat auch eine Fahnenabordnung der Grieser Partnerkompanie „Schützenverein Wendlstoana Putzbrunn“ mit Schützenmeister Eduard Boger, Fähnrich Richard Himmelsbach und der Deutschen Meisterin mit der Luftpistole, Lucie Bauer. Weitere Gäste waren der L.Abg. Paul Köllensperger, Stellvertretender Präsident des Gemeinderates Stephan Konder, Gemeinderat Christoph Buratti und Meinrad Berger Vize-Obmann des Südtiroler Heimatbundes.
Zu Beginn wurde Vize-Bürgermeister Luis Walcher ein Empfang im Park des Grieserhofes durch die Ehrenformation des Bezirkes Bozen und der Bürgerkapelle Gries bereitet. Bezirksmajor Lorenz Puff meldete die angetreten Formationen, anschließend schritten der Vize-Bürgermeister und Bundesgeschäftsführer Egon Zemmer die Front ab. Luis Walcher hielt seine Begrüßungsrede.
Danach startete der Einmarsch vom Grieserhof über den Grieser Platz zur Alten Pfarrkirche in Gries, dort zelebrierte Guardian Pfarrer Reinald Romaner OFM die heilige Messe, musikalisch umrahmt durch die Bürgerkapelle Gries und dem Männergesangverein Gries.
Im Anschluss an die heilige Messfeier fand am Gefallenendenkmal des 1. Weltkrieges im historischen Friedhof das Heldengedenken mit Kranzniederlegung statt. Werner Neubauer, ehemaliger Südtirol-Sprecher und Grieser Schütze hielt die Gedenkrede. Zu Ehren der Gefallenen aller Kriege wurden von der Ehrenformation des Bezirks Bozen eine Ehrensalve und eine Salve durch zwei Kanonen abgefeuert.
Anschließend marschierten alle gemeinsam wieder über den Grieser Platz zur historischen Münzbank, wo nach einer kurzen Pause die Jahreshauptversammlung abgehalten wurde.
Gleich zu Beginn der Versammlung sprachen L.Abg. Franz Locher und der Präsident der Bezirksgemeinschaft Überetsch/Unterland Hansjörg Zelger ihre Grußworte. Weitere Grußworte sprachen Bundesgeschäftsführer Egon Zemmer, Bundeskassier Franzjosef Roner, Bezirksmajor Hannes Holzner, Bezirksmajor Peter Frank und auf ladinisch Major Manuel Adami.
Die Versammlung endete mit dem gemeinsamen Singen der Tiroler Landeshymne.
Gedenkrede zum Bezirks-Schützentag am 27.März 2022 in Gries bei Bozen
Schütze Werner Neubauer, SK Gries
Hochgeschätzte Schützen und Marketenderinnen!
Hohe Geistlichkeit!
Liebe Ehrengäste!Wir Schützen werden heute von unseren Gegnern oftmals gering-geschätzt.
Sie unterstellen uns, dass wir nicht gegenwartsbezogen, sondern zu sehr in der Vergangenheit unserer Helden längst vergangener Tage verhaftet seien.
Ich halte denen mit einer Aussage des deutschen EX-Bundeskanzlers Helmut Kohl entgegen:
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“
Wenn von Helden die Rede ist, zitiere ich gerne eine Szene aus einem Stück Bert Brechts: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat.“
Der Universalgelehrte Galilei selbst akzentuierte sein Entscheidungsdilemma etwas anders: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“
Hat also Tirol Helden nötig?
Das Unglück, auf Helden angewiesen zu sein, lässt sich nicht dadurch aus der Welt schaffen, dass man zur Bewältigung schwieriger Zusammenhänge die Helden verweigert.
Freilich wissen heute viele, dass sie selber zum Helden nicht taugen. Deswegen identifizieren sie sich aber doch mit anderen, einem Galilei, einem Andreas Hofer, einem Kerschbaumer oder Luis Amplatz.
Politische Konstellationen und Herausforderungen folgen nicht unbedingt den Imperativen der Glücksgarantie für ein bestimmtes Land. Man muss gerüstet sein, auch weniger glückliche Konstellationen bewältigen zu können – und dafür braucht man mitunter Helden.
Helden sind also zu definieren als die Unglücksbewältigungsreserve eines Landes. Man muss sich mit ihnen nicht brüsten oder gar gegenüber Anderen hervortun. Aber man ist gut dran, wenn man in Situationen, wo es der Helden bedarf, auf diese zurückgreifen kann.
In der Vergangenheit ist das Bild des Helden vor allem durch das Kriegsgeschehen geprägt worden. Aber das ist keineswegs zwingend. In vielen Bereichen des täglichen Lebens, denken wir nur an die Corona-Pandemie, geht es in dem Disput über Unglück und Heldentum bekanntlich nicht um Kriegsruhm und Schlachtenlärm, sondern um Mut und Leidens- und Einsatzbereitschaft, die hier mit dem Eintreten für die Wahrheit verbunden sind.
Um einen Spruch der Schützen aus dem Jahr 1992 vor dem sogenannten Siegesdenkmal zu bemühen:
„Unglücklich das Land, in dem es Mut und Leidensbereitschaft braucht, um für die Wahrheit oder ethische Werte einzutreten“.
Aber dieses Unglück wird nicht durch den Verzicht auf Heldentum, sondern durch dessen massenhaftes Auftreten überwunden. Nach der friedlichen Revolution in der DDR war von der „Heldenstadt“ Leipzig die Rede, weil die Menschen dort bei den Montagsdemonstrationen die Angst überwunden hatten, die ihnen vom Regime eingebläut worden war. Und weil das nicht nur ein paar Wenige, sondern Viele und schließlich immer mehr taten, ist es ihnen gelungen, nicht nur das Regime ohne Gewaltanwendung zu Fall zu bringen, sondern auch die Berliner Mauer und das politische System.
Das Glück der Selbstbefreiung wäre ohne den Mut und die Leidensbereitschaft dieser Menschen nicht eingetreten.
Heldentum ist eine außergewöhnliche Disposition, und sie soll auch nicht alltäglich werden. Heldentum beruht nicht auf Tausch-, sondern auf Opferbereitschaft, insofern hier mit dem eigenen Leben etwas eingesetzt wird, wofür es nichts Vergleichbares gibt.
Heldentum ist die Bereitschaft, etwas einzusetzen, das buchstäblich unbezahlbar ist. Dies kann auch in Situationen erforderlich sein, in denen das Leben Einzelner oder Mehrerer in großer Gefahr ist. Glücklich das Land, das in solchen Situationen auf die Bereitschaft Einzelner zum Heldentum bauen kann.
Das Land Tirol kann stolz darauf sein, in bedrohlichen wie in Friedenszeiten, solche Männer und Frauen hervorgebracht zu haben, die als Schützen oder Marketenderinnen das Gewissen der Heimat, die Hüter des Brauchtums, des Kulturguts und der Heimat-Verbundenheit, bis zum heutigen Tag repräsentieren.
Die Einsatzbereitschaft für die Menschen, für das Land im Sinne des Landlibells, hat Andreas Hofer 1809 zu Recht zu jenem Helden Tirols werden lassen, den wir heute noch gerne jährlich die Reverenz erweisen.
Wir dürfen aber dabei all jene nicht übersehen, die ihren Einsatz für „Gott, Kaiser und Vaterland“, später für „Freiheit, Selbstbestimmung und ein
„Los von Rom“, mit Folterungen in einem „demokratischen Land“ und oftmals auch mit dem Leben bezahlt haben.
Einer von diesen ist: Major Josef Eisenstecken
Wir befinden uns heute am Grieser Friedhof, ein historischer Ort, an dem auch die sterblichen Überreste unseres Namensgeber Major Josef Eisenstecken ruhen.
Sein Denkmal befindet sich wenige Schritte von hier, am Grieser Platz.
Gestatten Sie mir, diesen Mann, der aus dem Bewusstsein vieler Menschen leider bereits verschwunden ist, wieder etwas ins Gedächtnis zu rufen.
Josef Eisenstecken wurde 1779 in Matrei am Brenner geboren, seine Mutter stammte aus Südtirol.
Er wuchs in Matrei auf, mit 10 Jahren übersiedelte er mit seiner Familie nach Gries bei Bozen.
Als Siebzehnjähriger trat er 1796 als Freiwilliger in ein österreichisches Regiment ein.
Der junge Eisenstecken machte mit dem Tiroler Freiwilligen Scharfschützenkorps in der Folge den Feldzug nach Italien mit und trat dann zur Tiroler Landmiliz über.
Für seine Tapferkeit bei verschiedenen Gefechten wurde Eisenstecken mit der Landesständischen silbernen Medaille ausgezeichnet.
Nach neunjähriger Dienstzeit wurde er zum Unteroffizier (Feldwebel) befördert und hatte sich an der Front alle jene militärischen Kenntnisse angeeignet, die ihm später, bei der Volkserhebung im Jahr 1809 zugutekamen und ihm eine hervorragende Stellung an der Seite Andreas Hofers und General von Fenner verschafften.
1802 heiratete er eine Wirtstochter und übernahm im selben Jahr gemeinsam mit seiner Frau das Gasthaus „Badl“ in Gries, weshalb er fortan der „Badlwirt“ genannt wurde.
1805 meldete sich Eisenstecken erneut zu den Waffen und kehrte erst im Spätherbst erfolgreich mit seinem Regiment aus den benachbarten italienischen Kriegsgebieten zurück.
1809 war der „Badlwirt“ an den Tiroler Freiheitskämpfen gegen die Bayern und deren französischen Schutzherren maßgeblich beteiligt.
Er stand dabei an vorderster Front und erwies sich als besonders tapfer und entschlossen.
Oberkommandant Andreas Hofer hörte von seinen Taten und berief ihn als Adjutant an seine Seite.
Eisensteckens militärische Strategie hat auch wesentlich zum Sieg der Tiroler Schützen bei der Zweiten Schlacht am Bergisel beigetragen.
Nach dem Frieden von Schönbrunn und der von den Franzosen ausgerufenen Generalamnestie legte Eisenstecken die Waffen nieder flüchtete mit Speckbacher und Haspinger nach Wien.
Nach seiner Rückkehr wurde er von A. Hofer zum Oberkommandanten der Süd-Armee ernannt, mit der er die Franzosen endgültig aus dem Land vertrieb und dadurch eine bereits vorbereitete Verwüstung des Unterlandes verhindert werden konnte.
1810 wurde ihm für seine Verdienste der Rang eines Majors der österreichischen Armee verliehen.
Weiters wurde er für seine Verdienste mit der Mittleren goldenen Zivil-Ehrenmedaille und dem Armeekreuz für 1813/14 ausgezeichnet.
Wir Grieser Schützen begehen in diesem Jahr den 195. Todestag unseres Namensgebers Eisenstecken.
Die Kommandantschaft hat zu diesem Anlass die Grabstein-Gedenktafel am Grieser Friedhof restaurieren lassen, die nun im alten Glanz erstrahlt.
Die Schützenkompanie Gries hat sich nach Josef Eisenstecken benannt.
Wir können stolz darauf sein!
Andreas Hofer und Major Eisenstecken waren Helden des 19. Jahrhunderts,
Helden, an denen sich Tiroler Schützen in den Kriegen 1848, 1859, 1866 und nicht zuletzt 1915 aufrichteten und Mut schöpften.
Die Aufgabe der Tiroler Schützen war immer die Landesverteidigung gewesen, die das letzte Mal in militärischer Form durch den Einsatz der Standschützen im Ersten Weltkrieg geleistet wurde.
In der Faschistenzeit standen ehemalige Standschützen in Zivil und im Priestergewand ihren Mann in einem Kulturkampf, dessen Brutalität wir uns heute kaum mehr vorstellen können.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg die faschistische Unterdrückung ihren Fortgang nahm und im Jahre 1961 sogar ein Vertreibungsgesetz für unbotmäßige Südtiroler in Kraft gesetzt werden sollte, waren es vor allem Schützen, welche Folter, Haft und Tod riskierten, um unsere Heimat zu retten.
In der SK Gries sind neben der Erinnerung an Luis Amplatz auch die Schützen Hans Stampfl, und Mair-Jenner zu nennen.
Auch heute ist es Aufgabe der Schützen, für den Schutz der Heimat einzutreten. An die Stelle der militärischen Waffen sind die Waffen des Geistes getreten.
Es geht um den Schutz unseres geistigen und kulturellen Erbes und um dessen Weiterentwicklung. Es geht um Sprache, Kultur und um den Schutz und den Ausbau des Erreichten auf dem Gebiet der Selbstverwaltung. Vergessen wir nicht, dass auch dieser Bestand an autonomen Zuständigkeiten international-rechtlich schlecht abgesichert und daher immer wieder durch ausufernden italienischen Nationalismus bedroht ist.
Deshalb sind die Schützen nicht nur der Vergangenheit verbunden, sondern vor allem der Zukunft verpflichtet.
Vor allem aber sind die Schützen dem Freiheitsgedanken verpflichtet, dem Eintreten für die Bürgerrechte des Einzelnen, für dessen persönliche Selbstbestimmung im Rahmen der gemeinschaftlichen Ordnung.
Es ist daher legitim und im Sinne der Schützentradition, wenn Landeskommandanten des Schützenbundes der von Mussolini und Hitler behaupteten Ewigkeit der Brennergrenze widersprechen, wie Landeskommandant Paul Bacher dies im Jahre 2009 bei einer Festrede vor Schützen getan hat.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass der Österreichische Nationalrat das Recht Südtirols auf Selbstbestimmung wiederholt bekräftigt hat.
Auch die Südtiroler Schützen nehmen diese Position ein und halten die grundsätzliche Forderung aufrecht, dass die Südtiroler selbst darüber entscheiden sollen, welchem Staat sie angehören wollen.
Dagegen wird verschiedentlich eingewendet, dass diese Forderung kurzfristig nicht durchsetzbar und daher unrealistisch sei.
Dem gegenüber halte ich fest: Wir können nicht vorhersehen, wann das Schicksal uns ein Fenster hin zur Freiheit öffnet. Wenn eine solche Möglichkeit jedoch eintritt, wird es darauf ankommen, dass es im Land eine Anzahl entschlossener Menschen gibt, welche diese Chance auch nützen wollen und die dann dazu bereit sind, ihre Mitbürger zu mobilisieren.
Der Gedanke der Freiheit und der Selbstbestimmung darf daher nicht sterben, nur weil jetzt das Fenster zur Freiheit sich noch nicht geöffnet hat. Geben wir unsere Überzeugungen und unsere Hoffnungen an die Jugend weiter. Bilden wir sie geistig aus und bieten wir ihnen den festen Boden unserer Kultur und unserer Geschichte. Damit helfen wir ihnen, die Zukunft zu unser aller Wohl, zum Wohle des Landes, zu meistern.
Der Pircher Jörg hat immer wieder bekräftigt: „Lossts eich nöt auseinanderdividieren!“ Das muss auch heute gelten.
Ob Freistaat oder Selbstbestimmung, das muss kein Gegensatz sein. Dann nicht, wenn der Freistaat als Zwischenlösung zum Selbstbestimmungsrecht gesehen wird – und nicht als entweder – oder.
Nach dem Motto des Aristoteles: Das Ganze ist wichtiger als der Teil!
Und abschließend: Farbe tragen, bedeutet auch „Farbe bekennen!“
Das Tragen der Tracht bedeutet eben nicht nur Folklore, sondern trägt wesentlich zur Verteidigung der kulturellen Werte unseres Volkes bei!!
Die Schützen beobachten die Grundlagen, Entwicklungen und aktuellen Herausforderungen des Südtiroler Minderheitenschutz- und das Autonomiesystem weiterhin mit großer Aufmerksamkeit.
Auch deshalb sind die jüngsten Entwicklungen in Südtirol sehr kritisch zu bewerten.
Die oftmals als harmlos bezeichneten Entwicklungen bzw. Erweiterungen, hatten seit der Streitbeilegungserklärung auch Einschränkungen des Schutzstandards von 1992 und einen Aufbruch des Proporzsytems zur Folge.
Das sind aber die falschen Signale für eine Minderheit
Deshalb zum Abschluss:
JA, wir brauchen Helden und jede und jeder von euch ist eine Heldin bzw. ein Held!
Es lebe Tirol, Schützen Heil!