ST. PAULS – Die Vorweihnachtszeit ist immer eine der stillsten Zeiten im Jahr. Heuer ist sie stiller als sonst. Weniger Trubel, viel Abstand und jede Menge Sorgenfalten. Auch die Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier war, verglichen mit den vergangenen Jahren, ein stilles Gedenken an Sepp Kerschbaumer und seinen Freiheitskämpfern.
Trotzdem ließen es sich der Südtiroler Heimatbund und der Südtiroler Schützenbund nicht nehmen am Dienstag, den 8. Dezember 2020 eine kleine, würdige Gedenkfeier am Friedhof von St. Pauls zu organisieren.
Die Feier begann pünktlich um 10.00 Uhr mit der Begrüßung des Obmannes des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang. Anschließend zelebrierte Pater Benedikt Sperl einen Wortgottesdienst.
Die Gedenkrede hielt der Landeskommandant-Stellvertreter des Südtiroler Schützenbundes Major Renato des Dorides. Er unterstütze in den 60er Jahren, tatkräftig die Familien der gefangenen Freiheitskämpfer mit finanziellen Mitteln:
„Wir gedenken heute auch der aktiven Freiheitskämpfer der 60er Jahre, die noch im Exil fern der Heimat leben und immer noch vom italienischen Staat verfolgt werden. Ihre Sehnsucht, die Heimat wieder zu sehen, für die sie gekämpft und ihr Leben riskiert haben, ihre Freunde und Nachbarn zu besuchen, an den Gräbern der Eltern und Familienangehörigen zu verweilen – diese große Sehnsucht berührt uns alle tief im Herzen.
Es ist Zeit, dass dieser sogenannte „Demokratische Italienische Staat“ – in dem immer wieder Verbrecher, politische Attentäter und Mörder großmütig begnadigt werden, die noch wenigen im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer nach über 50 Jahren Entbehrungen ohne weitere Verfolgung zurück in die Heimat lässt. Es wäre ein menschlicher Akt der Versöhnung von einem Staat, der sich vor aller Welt rühmt, vorbildlich für Freiheit, Demokratie, Völkerrecht und Menschlichkeit zu stehen“.
Im Anschluss an die Gedenkrede spielte ein Musikant aus Eppan das Lied vom „Guten Kameraden“. Am ehemaligen Grab von Sepp Kerschbaumer wurden Kränze niedergelegt. Mit eingebunden wurden dabei auch die Mitstreiter Sepp Kerschbaumers: Franz Höfler, Anton Gostner, Luis Amplatz, Jörg Klotz, Kurt Welser und all jene Kameraden, die eine Strecke des Weges mit ihnen gegangen sind. Die Ehrensalve feuerte die Schützenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ Eppan ab.
„Wir Südtiroler durften in diesem Jahr für ungefähr 70 Tage unser Heim nicht verlassen. Dann gibt es da noch drei Männer, die seit 19.000 Tagen ihr Heim nicht mehr betreten dürfen. Geschätzte Landesvertreter! Zeigt uns, dass ihr kein Rückgrad aus Gummi habt und holt Heinrich Oberleiter, Josef Forer und Siegfried Steger endlich Heim. Viel Zeit habt ihr nicht mehr!“, mahnte der Landeskommandant Wirth Anderlan in seinen abschließenden Dankesworten.
Abgeschlossen wurde die sehr würdige Gedenkfeier mit der Tiroler Landeshymne und der österreichischen Bundeshymne.
Gedenkrede von Landeskommandant-Stellvertreter des Südtiroler Schützenbundes Mjr. Renato des Dorides
Der Südtiroler Schützenbund gedenkt jährlich hier am Friedhof von St. Pauls gemeinsam mit dem Südtiroler Heimatbund an Sepp Kerschbaumer – und aller Freiheitskämpfer der 1950er und 1960er Jahre. Sepp Kerschbaumer, kämpfte unermüdlich gegen Ungerechtigkeiten im besetzten Tiroler Landesteil. Unter großer Gefahr setzte er Zeichen des Widerstands gegen Ungerechtigkeiten und war immer Vorbild für Mut und Tapferkeit. Er sammelte Gleichgesinnte um sich – im BAS Befreiungsausschuss Südtirol – und wurde aktiver Freiheitskämpfer.
Bei der Großkundgebung in Sigmundskron am 17. November 1957 verteilte Sepp Kerschbaumer Flugblätter, in dem er ein freies Südtirol forderte mit der Begründung: „Deutsch wollen wir bleiben und keine Sklaven eines Volkes werden, welches durch Verrat und Betrug unser Land kampflos besetzt hat.“ Kerschbaumer wurde nach der Attentatswelle der Feuernacht mit weiteren 150 Aktivisten verhaftet und schwer misshandelt. Als Führer der Freiheitskämpfer wurde er zu 15 Jahren und 11 Monaten verurteilt. Er verstarb mit 51 Jahren am 7. Dez. 1964 im Gefängnis von Verona.
Über die Schicksale unserer verstorbenen Freiheitskämpfer und über ihre erlittenen unmenschlichen Folterungen durch Carabinieri wurde vor dieser Gedenkstätte in St. Pauls in den vergangenen Jahren wiederholt berichtet. Ich werde daher heute in meiner kurzen Gedenkrede nicht näher darauf eingehen – obwohl diese tragischen Ereignisse niemals in Vergessenheit geraten sollten. Weil sie Teil sind unserer leidvollen Geschichte im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit. Aber Pandemie u. Korona Krise können uns nicht davon abhalten, Sepp Kerschbaumer, Franz Höfler, Anton Gostner, Luis Amplatz, Kurt Welser und Jörg Klotz die Ehre zu erweisen. Ihnen zu danken – und an ihren Einsatz für unsere Heimat zu erinnern ist unsere Pflicht.
Und sie waren nicht die einzigen, die – zum richtigen Zeitpunkt – Mut bewiesen und sich für das Unrecht in unserem Land eingesetzt haben.
Durch die Teilnahme an dieser Feier denken wir alljährlich mit Respekt und Achtung an alle, die mit selbstlosem und uneigennützigem Einsatz selbst einen Opfertod für Volk und die Heimat in Kauf nahmen. Denn leider sind viele – auf dieser Tafel nicht aufgeführten Freiheitskämpfer – ebenfalls zwischenzeitlich verstorben – ohne dass sich der Wunsch nach der ersehnten Freiheit des besetzten Tirol erfüllt hätte.
Wir gedenken heute ebenso mit viel Respekt der noch wenigen lebenden Freiheitskämpfer – und Aktivisten – die auch von den Carabinieri Folterungen und Misshandlungen erdulden und lange Haftstrafen in Gefängnissen auf sich nehmen mussten.
Wir gedenken heute auch der aktiven Freiheitskämpfer der 60er Jahre, die noch im Exil fern der Heimat leben und immer noch vom italienischen Staat verfolgt werden. Ihre Sehnsucht, die Heimat wieder zu sehen, für die sie gekämpft und ihr Leben riskiert haben, ihre Freunde und Nachbarn zu besuchen, an den Gräbern der Eltern und Familienangehörigen zu verweilen – diese große Sehnsucht berührt uns alle tief im Herzen.
Es ist Zeit, dass dieser sogenannte „Demokratische Italienische Staat“ – in dem immer wieder Verbrecher, politische Attentäter und Mörder großmütig begnadigt werden, es ist Zeit, dass dieser Staat die noch wenigen im Exil lebenden Südtiroler Freiheitskämpfer nach über 50 Jahren Entbehrungen ohne weitere Verfolgung zurück in die Heimat lässt. Es wäre ein menschlicher Akt der Versöhnung von einem Staat, der sich vor aller Welt rühmt, vorbildlich für Freiheit, Demokratie, Völkerrecht und Menschlichkeit zu stehen.
Liebe Teilnehmer dieser Gedenkveranstaltung
Gedenken ist nicht Nostalgie – sondern Ehrung unserer Freiheitshelden. Gedenken heißt nicht vergessen.
Gedenken heißt aber auch – Mut und Tapferkeit unserer Freiheitskämpfer zum Vorbild nehmen für unsere eigene Zivilcourage.
Zivilcourage zeigen, heute – im täglichen Leben – wäre nicht nur wünschenswert, sondern eine verpflichtende Aufgabe für jeden gestandenen und heimatbewussten Tiroler.
Zivilcourage zeigen als mutige und selbstbewusste Tiroler eines vor 100 Jahren widerrechtlich – fremd – besetzten und einverleibten Landesteils.
Zivilcourage zeigen, mit Mut zu legalem Widerstand – in jeder Situation – in jeder Lage.
Als Vertreter des Südtiroler Schützenbundes rufe ich alle auf, mehr Zivilcourage zu zeigen und den friedlichen Kampf für unsere Heimat konsequent fortzuführen.
Noch ist der Kampf um unsere Heimat Tirol nicht verloren, wenn wir zusammenhalten – zusammenstehen – und auch bereit sind, mutig für unser Land einzustehen.
Liebe Kameraden – geschätzte Tiroler Londsleit.
Unsere Helden und Freiheitskämpfer mögen ruhen in Frieden – Sie sollen stolz sein können auch auf eine neue junge Tiroler Generation, die den Kampf um die Heimat im Herzen trägt und diesen Kampf nie aufgeben wird solange Tirol geteilt bleibt.
Und abschließend möchte ich noch allen in Erinnerung bringen. Vergesst niemals:
Unsere Heimat ist Tirol – unser Vaterland ist Österreich
Schützen Heil
Begrüßung und einleitende Worte vom Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang
Liebe Landsleute, guten Morgen.
Im Namen des Schützenbundes und des Heimatbundes begrüße ich namentlich Pater Benedikt Sperl, der den erkrankten Pater Reinald Romaner vertretet. Da er nach dem Wortgottesdienst eine Hl. Messe feiern muss, wird er uns danach leider gleich wieder verlassen; weiteres die Kompanie Sepp Kerschbaumer Eppan, und den heutigen Gedenkredner und Landeskommandantenstellvertreter des Schützenbundes Renato des Dorides. Begrüßen möchte ich auch alle anderen Teilnehmer, Schützen und Heimatbundmitglieder, und besonders all jene, die zum Gelingen dieser Gedenkfeier einen Beitrag leisten werden.
Einen Gruß und ein Tiroler Vergeltsgott all jenen, die, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, heute der Gedenkfeier für die Freiheitskämpfer beiwohnen. Sie bezeugen mit ihrer Anwesenheit, dass der Opfergang unserer Helden für die Freiheit Tirols nicht vergessen ist. Danke für euer Kommen.
Liebe Landsleute!
Jedes Jahr kommen wir zu diesem ernsten, würdigen Gedenken an Sepp Kerschbaumer zusammen. In diesem Jahr finden wir Beschränkungen vor, die unseren Handlungsspielraum arg einengen. Wir lassen es uns aber nicht nehmen, eines beispielhaften Mannes zu gedenken, der sein Leben selbstlos in den Dienst der Heimat stellte und Opfer der Staatsgewalt wurde.
Wir verneigen uns vor Sepp Kerschbaumer in Erinnerung an sein Leben und Handeln für Südtirol. Er bleibt jenen, die ihn noch kannten, als aufrechter Tiroler in Erinnerung, der nicht mehr mitansehen konnte, wie Jahr für Jahr die Italienisierung voranschritt und die Staatsgewalt nur das eine Ziel kannte: die Südtiroler in ihrer angestammten Heimat in die Minderheit zu drängen und ihren Freiheitswillen zu unterdrücken.
In diesen Monaten und Wochen erleben wir alle in einer ganz anderen Situation erhebliche Freiheitsbeschränkungen. Sie sind nicht südtirolpolitisch, sondern mit der Corona-Epidemie begründet. Es wird in diesem Zusammenhang niemand politisch verfolgt. Aber man kann jetzt vielleicht ein klein wenig verstehen, was der Verlust normaler Freiheiten bedeutet, auch wenn dies durch keine politische Verfolgung begleitet wird.
Vor 85 Jahren, im Spätherbst 1935, war der 22 jährige junge Kaufmann Sepp Kerschbaumer von seiner ersten Verurteilung heimgekehrt. Der faschistische Präfekt Mastromattei hatte ihn im Oktober 1934 nach Süditalien verbannt. Sein Verbrechen? Er hatte mit anderen Jugendlichen beim Wiesenfest der Musikkapelle St. Pauls Tiroler Lieder gesungen. Ende August begnadigte Mussolini den aufrechten Tiroler.
Es bleibt unsere Aufgabe, dieser Patrioten zu gedenken und gleichzeitig den natürlichen Wusch nach Freiheit auch in unserem Volk wachzuhalten. Dieses Jahr jährt sich der 55. Todestag des Freiheitskämpfers Kurt Welser, der den Freiheitskampf im südlichen Tirol besonders aktiv unterstützte. Bereits Ende Jänner 1961 holte er mit Heinrich Klier und Martl Koch den streng bewachten Aluminiumduce vor dem E-Werk in Waidbruck vom Sockel.
Bei dieser Gedenkfeier möchte ich auch an den Freiheitskämpfer Hans Stampfl erinnern. Denn das Kerschbaumer-Gedenken wurde von seinem ehem. Mithäftling Hans Stampfl im Jahr 1966 ins Leben gerufen. 1972 übernahm der Heimatbund, gegründet von den Freiheitskämpfern, die Durchführung, 1983 schloss sich dankenswerterweise auch der Südtiroler Schützenbund an.
Immer wieder erinnern Politiker an das Feigenblatt geeintes Europa. Aus aktuellem Anlass muss man sich aber fragen, wie es heute mit diesen Werten wirklich steht. So wird der Freiheitswille des katalanischen Volkes noch immer mit den Mitteln des Polizeistaates durch das EU-Mitglied Spanien unterdrückt.
Der katalanische Knüppelsonntag vom 1. Oktober 2017 ist noch bestürzend in Erinnerung. Um welchen Frieden und welche Art von Demokratie handelt es sich in der Politik der Europäischen Union? Den Minderheiten und Volksgruppen gewährt dieses Europa jedenfalls keinen effektiven Schutz, um sich gegen Anmaßungen der Zentralstaaten zu stellen.
Und höhlt dieses Europa nicht selbst von innen her seine Werte völlig aus? Wo bleiben da die Sonderrechte, das Naturrecht auf Freiheit und Demokratie, das Mindestrecht auf Selbstverwaltung der Völker, deren ureigenes Recht auf politische Selbstbestimmung?
Wenn in Europa weiterhin die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, gegen den Willen des Volkes am Brenner eine Trikolore weht und Freiheitskämpfer nicht heimkehren dürfen, ist auch das Südtirol Problem nicht gelöst. Seit 100 Jahren versucht Italien uns zu Italienern zu machen. Vergeblich, denn noch gibt es uns. Und wir wollen auch weiterhin Tiroler bleiben. Aber dazu braucht es auch Einsatz und Mut.
Erst dann sind die vielen Opfer unserer Ahnen, von den Männern um Andreas Hofer, den tapferen Standschützen bis zu den Freiheitskämpfern nicht umsonst gewesen.
Ich möchte nun Pater Benedikt Sperl um einen Wortgottesdienst bitten.
Vielen Dank Pater Benedikt Sperl für den schönen Wortgottesdienst. Ich ersuche nun den Landeskommandantenstellvertreter Renato des Dorides um die Gedenkrede.