Warum es Südtirol langfristig deutlich schwerer treffen wird als Nord- und Osttirol
SÜDTIROL – Das Corona-Virus macht nicht vor Staatsgrenzen halt, aber nicht alle Staaten sind gleich gut darauf vorbereitet. Die betroffenen Staaten haben andere Möglichkeiten und reagieren verschieden auf die Pandemie. Die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien bedeutet schlechtere Vorbereitung, mangelhafte Reaktionsmöglichkeiten und höhere Folgekosten. Südtirol sollte Konsequenzen daraus ziehen.
Es ist sicher ein unglücklicher Zufall, dass gerade in Italien sehr früh zahlreiche Infektionen mit dem Covid- 19-Virus zu verzeichnen waren. Leider wurden in Italien auch einige entscheidende Fehler gemacht. So blieb die Erkrankung lange unentdeckt, obwohl die Situation in China längst bekannt war. Italien hat den Ernst der Lage unterschätzt. Durch die Entscheidung, Infizierte mit leichteren Krankheitsverläufen in Altersheimen unterzubringen, hat sich die Erkrankung gerade in der Hochrisikogruppe sehr schnell ausgebreitet. Geradezu katastrophale Folgen hatte aber der Umstand, dass in Italien das Gesundheitswesen schon seit Jahren unterfinanziert ist und am Boden liegt. Österreich hat pro Einwohner fast doppelt so viele Intensivbetten wie Italien; Deutschland hat fast dreimal so viele. Italien hat auch deutlich weniger Pflegepersonal pro Einwohner. Dadurch war das italienische Gesundheitswesen sehr schnell an seiner Belastungsgrenze. Wäre es auf dem Niveau Österreichs oder Deutschlands gewesen, wäre den Italienern sehr viel Leid erspart geblieben.
Das Südtiroler Gesundheitswesen steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurde noch über eine mögliche Schließung der Kleinkrankenhäuser in Schlanders, Sterzing und Innichen diskutiert. Rom hatte entsprechende Vorgaben gemacht und Südtirol war drauf und dran diese auch umzusetzen. Nur dem massiven Druck der Südtiroler Bevölkerung ist es zu verdanken, dass das Schlimmste verhindert wurde. Südtirol war deutlich schlechter auf die Pandemie vorbereitet als andere deutschsprachige Gebiete. So war beispielsweise zum Beginn der Pandemie die Anzahl der Intensivbetten auch in Südtirol nur auf italienischem Niveau. Zum Glück haben sich Deutschland und Österreich dazu bereit erklärt, Südtiroler Patienten in ihren Intensivstationen zu behandeln, denn in Südtirol war man bereits am Limit.
Die sonst so hoch gelobte Autonomie hat einmal mehr gezeigt, dass sie im entscheidenden Moment nicht viel Wert ist. Weder hat sie im Vorfeld erlaubt, das Gesundheitswesen angemessen auszustatten, noch hat sie es ermöglicht, die wirtschaftlichen Folgen von Anfang an möglichst klein zu halten. Es ist mehr als lobenswert, dass Südtirol die Höhe und Dauer des staatlichen Lohnausgleichs aus eigenen Landesmitteln aufstockt. Dass es dafür aber erst Rom um Erlaubnis bitten musste, zeigt hingegen wie beschränkt die viel gepriesene Autonomie in Wirklichkeit ist.
Die Zugehörigkeit zu Italien war schon immer eine große Belastung für Südtirol. So musste das Land in Folge der Finanzkrise 2008/9 im sog. Mailänder Abkommen auf Milliarden Euro verzichten, die ihm eigentlich zugestanden hätten. Seither muss es sich zudem jährlich mit hunderten Millionen Euro an der Tilgung der stetig wachsenden Italienischen Staatsschulden beteiligen. Dieses Geld fehlt Südtirol jetzt, wo es darum geht, die größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg zu bewältigen. Und nach der Corona-Krise wird es wieder so sein, dass sich Italien das nötige Geld auch in Südtirol holt. Da wird die Südtirol-Autonomie auch diesmal nichts helfen.
In Österreich und Deutschland hatte man die Pandemie von Anfang an deutlich besser im Griff. Das ist kein Zufall, sondern die Folge einer guten Verwaltung. Das Gesundheitswesen war von Grund auf besser aufgestellt, Maßnahmen wurden von Beginn an konsequent ergriffen und umgesetzt. Obwohl Österreich die Bewegungsfreiheit seiner Bürger später eingeschränkt hat, hat es die Quarantänemaßnahmen früher gelockert. Auch war die Lähmung der Wirtschaft nie so stark wie in Südtirol. Es mag sein, dass auch nördlich des Brenners nicht alles optimal gelaufen ist. Aber trotz des Infektionsherdes Ischgl, kann das Bundesland Tirol deutlich bessere Pandemie-Zahlen vorweisen als Südtirol. Und dank geringerer Staatsverschuldung undstärkerer Wirtschaft, kann man sich in Österreich auch eine stärkere Unterstützung für Menschen und Wirtschaft leisten.
Ein Virus macht nicht vor Staatsgrenzen halt. Es macht aber einen Unterschied, in welchem Staat man sich befindet, wenn es darum geht, wie gut das Gesundheitswesen auf eine derartige Situation vorbereitet ist. Und es macht einen Unterschied, wie man mit der Situation umgeht, wenn sie einmal da ist. Und zu guter Letzt macht es auch einen Unterschied, welche langfristigen Folgen aus dieser Pandemie erwachsen. Italien hat es seit Jahrzehnten versäumt, seine Staatsfinanzen zu sanieren. Entsprechend schlecht war es auf diese Pandemie vorbereitet, entsprechend mangelhaft sind die Reaktionsmöglichkeiten und entsprechend schwer wird es an den Folgen zu leiden haben. Und Südtirol wird mitleiden müssen. Italien hatte bereits vor der Krise mehr Staatsschulden als Deutschland und Österreich zusammen. Die italienische Wirtschaft liegt am Boden und der italienische Schuldenberg wächst ins unermessliche. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen und die Bevölkerung wird sie zahlen müssen, auch in Südtirol.
Südtirol sollte daraus seine Lehren ziehen. Die Zugehörigkeit zu Italien wird Südtirol auch in der derzeitigen Krise wieder zum Nachteil werden und in seiner zukünftigen Entwicklung behindern. Es gibt für Südtirol viele Gründe für wenig Vertrauen in den Staat Italien; Wohlstand und Gesundheit sind nur zwei davon, aber zwei überaus wichtige. Fürs Erste muss Südtirol bestehende Kompetenzen verteidigen, verloren gegangene Zuständigkeiten zurückholen und mit Nachdruck einen Ausbau der Autonomie einfordern. Auf lange Sicht aber, sollte sich Südtirol endlich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie es seine Zukunft ohne Italien gestalten kann, zum Wohle seiner Einwohner, ganz egal welcher Sprachgruppe sie angehören.
Schützenbezirk Vinschgau
Bezirksmajor Arno Rainer