BOZEN – Bereits seit einigen Jahren macht sich der Personalmangel an Südtirols Krankenhäusern bemerkbar. Während immer mehr altgediente Mitarbeiter ins Pensionsalter kommen, sieht es beim Nachwuchs mager aus. Einheimisches, zweisprachiges Personal ist schwierig zu bekommen und Personal von auswärts spricht oft kein Wort Deutsch, so der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes.
Absolventen der Landesfachhochschule für Gesundheitswesen Claudiana zieht es vielfach ins Ausland. Das liegt an den besseren Arbeitsbedingungen und dem höheren Lohnniveau, sagt man. Ärzte hingegen, welche bereit wären ihr Facharztpraktikum in Südtirols Krankenhäusern zu machen, bekommen immer wieder Prügel in den Weg gelegt. Italienische Ärztegewerkschaften stören sich am Südtiroler Sonderweg und reichen Klagen ein.
Um den Personalmangel in den Griff zu bekommen, wurden hunderte einsprachig italienische Ärzte und Pfleger eingestellt. Die Folge: Immer öfter können Ärzte und Patienten einander nicht verstehen. Was bei Personal mit wenig Patientenkontakt noch relativ problemlos gelingen kann, schafft beim Logopäden oder beim Kinder- und Jugendpsychiater, deren Tätigkeit ja fast ausschließlich aus Sprechen und Zuhören besteht, schon ernsthafte Probleme. Oft müssen dann andere Mitarbeiter einspringen und übersetzen. Dies hilft dann zwar kurzfristig das Verständigungsproblem zu lösen, trägt aber andererseits wieder zum allgemeinen Personalmangel bei.
Dieser Mangel an qualifiziertem zweisprachigem Personal macht sich überall bemerkbar: Die Wartezeiten für Visiten sind lang, das Risiko von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen steigt, vorhandene Strukturen können nicht voll ausgelastet werden, interne Kommunikation läuft immer öfter nur noch in italienischer Sprache und qualifiziertes Personal wandert ab.
Ärztemangel und fehlende Mitarbeiter im Pflegebereich sind kein Südtiroler Spezialfall: Überall in Europa gibt es einen mehr oder weniger starken Mangel an medizinischem Personal. Auch in anderen Regionen Europas ist man darauf angewiesen, Personal aus dem Ausland zu rekrutieren und notfalls gewisse Abstriche bei der Ausbildung hinzunehmen. Aber es dürfte wohl einzigartig in Europa sein, dass Ärzte und Pfleger nicht die Landessprache, die Sprache ihrer Patienten, in unserem Fall Deutsch, beherrschen müssen, um eingestellt zu werden. Es ist schlicht nicht denkbar, dass jemand als Arzt oder Pfleger in Deutschland oder Österreich arbeiten kann ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Genauso ist es undenkbar, dass irgendwo in Italien jemand eine Stelle im öffentlichen Gesundheitswesen erhält, wenn er nicht Italienisch spricht. Niemand käme in Deutschland, Österreich oder Italien auf die Idee, von den Patienten zu verlangen, sie müssten in einer Fremdsprache wie z.B. mit dem Arzt sprechen. In Südtirol aber ist genau das der Fall: Es wird Personal eingestellt, das die Landessprache nicht spricht und es wird vom Patienten verlangt, sich in einer Fremdsprache zu verständigen.
Südtirols Ärztenachwuchs studiert großteils in Österreich. Jungen Ärzten und Pflegern aus Südtirol stehen dank ihrer Sprachkenntnisse Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz offen. Für Südtirol ist es also ungleich schwieriger qualifiziertes, einheimisches Personal im Land zu halten. Ebenso ist es auf Grund der notwendigen Zweisprachigkeit schwieriger, geeignetes Personal von auswärts zu bekommen. Ein Vergleich mit anderen italienischen Provinzen ist daher nur sehr bedingt möglich. Und genau deshalb bräuchte Südtirol hier eigene Kompetenzen im Gesundheitswesen, um diesen besonderen Herausforderungen wirksam begegnen zu können. Aber da stößt die Südtirol-Autonomie wieder einmal an ihre Grenzen.
„Und für all jene, die gebetsmühlenartig wiederholen, dass ein Arzt der mich nicht versteht, noch immer besser sei, als gar keiner, könnte man ja in Zukunft chinesisch sprechendes Personal einstellen, dann wäre zumindest die Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache wieder hergestellt“, so Landeskommandant Wirth Anderlan abschließend.