Ist die „Entschärfung“ des Mussolini-Reliefs gelungen?

BOZEN – Eine Leuchtschrift mit dem Zitat von Hannah Arendt „Niemand hat das Recht zu gehorchen“ soll das Mussolini-Relief am Bozner Finanzamt entschärfen. Am Abend des 5. November 2017 wird diese Schrift erstmals zu sehen sein. Das Relief stammt vom Klausner Bildhauer Hans Piffrader (1888–1950). Die Umgestaltung erfolgte auf der Grundlage eines Ideenwettbewerbs, den die Landesregierung vor fünf Jahren ausgeschrieben hatte. Unter fast 500 Vorschlägen wurde jener von Arnold Holzknecht und Michele Bernardi ausgewählt.

Die Sonntagszeitung ZETT hat dazu Margareth Lun und Hannes Obermair befragt.

Wie begeistert war ich 2011, als der Bondi-Brief veröffentlicht wurde, der den Südtirolern erlaubte, die Historisierung der faschistischen Relikte selbst in Angriff zu nehmen! Weil ich damals der Illusion erlag, Südtirol wäre ein europäisches, modernes handelndes Land. Ein Land, das einen klaren Schnitt setzt und faschistische Protzbauten und Symbole endgültig demontiert und in Museen verbannt, wo sie eindeutig als solche erkennbar sind. Schließlich wäre es ja auch in Österreich oder Deutschland unvorstellbar, dass da dort die Nazis verherrlichende Denkmäler herumstehen würden. Und den meisten von uns ist auch noch lebhaft im Gedächtnis, wie die Stalinstatuen gestürzt wurden.

Meilenweit gefehlt! Nun bleibt neben dem ‒ nur durch einen lächerlichen „Nasenring“ verunzierten und ein Kellermuseum aufgewerteten ‒ Siegesdenkmal auch das den Duce verherrlichende Relief auf dem Finanzamt in voller “Pracht” erhalten. Wohlgemerkt dort. Und nicht im Museum. Da sind ein Milchglas und eine vom Strom aus der Steckdose abhängige Aufschrift wohl wirklich keine dauerhafte, saubere Historisierung, sondern fast eine Frechheit. Auf Kosten der Südtiroler, versteht sich.

Der Hammer ist ‒ last and least – dann auch noch der verfälschte Spruch, den die (politisch korrekt ausgewählte Frau und Jüdin) Hannah Arendt so halt nicht gesagt hat: “Niemand hat das Recht zu gehorchen.” Ein seltener Schmarrn. Wenn dem so wäre, dann dürfte also niemand gehorchen, auch nicht, wenn er wollte. (Ich möchte ja so gern der Straßenverkehrsordnung gehorchen und stehen bleiben, wenn die Ampel auf Rot steht. Aber ich habe, leider leider, nicht das Recht dazu. Steht in Leuchtschrift über dem Mussolinirelief!)

Schade, dass eine so tolle Chance Länge mal Breite vergeigt wurde. Das hat sich Südtirol wirklich nicht verdient.

Dr. Margareth Lun

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