MONTAN – Im Jänner 1915 gab es die letzte Sitzung der Standschützenkompanie Montan, im Sommer desselben Jahres wurden alle Mitglieder zu den Waffen gerufen und mussten in den Krieg ziehen, der schließlich mit der Abtrennung Südtirols vom Vaterland Österreich endete. Ab 1922 kam der Faschismus an die Macht und bis weit über das Ende des darauffolgenden Zweiten Weltkrieges war an ein Wiedererstehen des Schützenwesens in Montan nicht zu denken.
Nach den heißen 1960er Jahren, in denen mit demonstrativen Sprengstoffanschlägen auf das Unrecht in Südtirol aufmerksam gemacht werden sollte und an denen auch zumindest 2 Montaner Bürger aktiv beteiligt waren, schien sich die Lage zu entspannen. In den 1970er Jahren erlebte das Schützenwesen in ganz Südtirol einen neuen Aufschwung. Überall wurden Kompanien gegründet. Und somit geschah es, dass auch in Montan am 14. April 1977, also 59 Jahre nach offizieller Auflösung der Standschützenkompanie, in der Jägerstube des „Cafè Schloss Enn“ eine Schützenkompanie aus der Taufe gehoben wurde und als 100. Kompanie Eingang in den Südtiroler Schützenbund fand. Es war kein leichtes Unterfangen damals für die Gründerväter um Hauptmann Alfred Varesco. Doch die beherzten Männer und Frauen wollten sich einbringen in die Gesellschaft, sie wollten, auch wenn ihre Heimat auch damals schon fast 60 Jahre einem fremden Staat angehört hatte, Tirolität bewahren und vor allem leben. Weil sie ein Gefühl in der Brust hatten, das nach Freiheit und Unabhängigkeit verlangte. Den Traum von einem geeinten Tirol mit kleinen Schritten in die Tat umsetzen – was damals noch viel schwieriger war, es gab kein Schengenabkommen, der Brenner war noch eine wirkliche Grenze, die italienische Staatsmacht beobachtete mit Argusaugen jede Regung und selbst Teile der einheimischen Bevölkerung hatte aufgrund jahrzehntelanger Einschüchterung Hemmungen sich zur eigenen Identität zu bekennen.
Doch trotz anfänglicher Skepsis konnte sich die Schützenkompanie vor allem durch ihre rege Tätigkeit, den fleißigen Einsatz der Mitglieder und dem unbändigen Idealismus schnell ein ausgezeichnetes Standbein verschaffen und sich vor allem im dörflichen Geschehen gut eingliedern. Neben den zahlreichen kirchlichen und weltlichen Veranstaltungen ist es der Schützenkompanie in den Folgejahren vor allem im kulturhistorischen und bildungspolitischen Bereich gelungen, zahlreiche Akzente zu setzen und verschiedenste Projekte auf Gemeindeebene durchzuführen. Viel Kleinod wurde errichtet und Althergebrachtes erhalten. Um dies alles entsprechend zu feiern, lud die Schützenkompanie Montan am 21. Mai 2017 ins Schloss Enn und Hauptmann Hubert Franzelin durfte neben zahlreichen Vertretern aus Politik und Wirtschaft auch zahlreiche Schützenabordnungen und Musikkapellen aus ganz Tirol und Bayern begrüßen.
Nicht nur, dass in den 40 Jahren des Bestehens der Kompanie der Pinzoner und der Montaner Kirche wesentliche Elemente gestiftet und wieder installiert worden sind, ohne den Einsatz der Montaner Schützen heute diese wohl auch fehlen würden. Hier sei beispielsweise an die Nachbildung der „Erbärmdegruppe“ am Hans-Klocker-Altar in Pinzon erinnert.
Nicht nur, dass gar einige Weg- und Wetterkreuze und andere Zeichen unserer christlichen Kultur nicht mehr stehen würden, oder errichtet worden wären – so sei an die Anschaffung der Bartholomäusstatue am Montaner Dorfbrunnen erinnert.
Nicht nur, dass wesentliche Tirolensien und Bücher über Montan – wie etwa das 1000 Seiten starke Montaner Dorfbuch, oder das Montaner Kochbuch vielleicht ohne die Montaner Schützen nie verfasst worden wären.
Nein, Montan würde ohne Schützenkompanie ein wesentliches Element in der Dorfgemeinschaft fehlen. Ein Element, das immer wieder an die Tiroler Werte und althergebrachte Traditionen erinnert und Garant dafür ist, dass diese in Montan von Generation zu Generation weitergegeben werden – vom Entzünden des Herz-Jesu-Feuers, bis zur Palmbuschenbinden-Aktion, oder das Wiederbeleben des Brauches des Ratschens in der Osterzeit.
Die Kompanie war und ist nicht zuletzt auch Garant immer dafür, dass an Politik und Gesellschaft viele neue Impulse ausgesandt werden – wie etwa die Flurnamenaktion, oder die erst kürzlich durchgeführte Flughafenplakataktion oder die Podiumsdiskussion zur Verfassungsreform.
All diese Aktionen und Taten der eifrigen Schützen machen unsere Heimat, machten Montan lebenswert. Der Kompanie selbst brachten sie sehr viel Respekt, Anerkennung und Wertschätzung.
Und in diesem Sinne durfte Hauptmann Hubert Franzelin zum 40-jährigen Wiedergründungsjubiläum nicht nur am Vorabend zum Festtag, am 20. Mai, einen Brunnen, gestiftet von der Schützenkompanie Montan, einweihen, sondern auch im Rahmen der Feierlichkeiten auf Schloss Enn Herrn Pfarrer Michael Ennemoser einen Scheck von über 1.000 Euro für die anstehenden Malerarbeiten an der Pfarrkirche von Montan überreichen.
Der Jubiläumsbrunnen hingegen wurde entlang der ehemaligen Fleimstalbahn bei der Glener Brücke errichtet – ein Rastplatz mit einer Brunnensäule. Das Jubeljahr trifft sich genau mit dem 100. Jahr der Fertigstellung der Fleimstalbahn. Auf Initiative von Mitglied Andreas Varesco hat die Kompanie vor zwei Jahren mit der Planung dieses Projekts begonnen. Nachdem ein geeigneter, etwa 1,5 m hoher, Porhyrblock lokaler Herkunft gefunden war, und die Ermächtigung vonseiten der Gemeinde und der Provinz Bozen vorlag, konnte im Herbst 2016 an die konkrete Realisierung herangegangen werden. Der gesamte Aufwand für Planung, Grabungsarbeiten mit Verlegung der Trinkwasserleitung, Durchbohren des Steines mit Anbringung einer Trinkgarnitur, Entwurf, Realisierung und Anbringung einer gravierten Messingtafel, Herstellung einer Tischgarnitur in Metall und Zirbenholz sowie Pflanzen eines Mandelbaumes, wurde teilweise von Schützenkameraden und teilweise im Auftrag der Kompanie von lokalen Handwerkern übernommen. Dieser Brunnen soll Gäste und Sportler aus Nah und Fern mit folgendem Spruch „Das Kostbarste, was wir haben, möge den Vorbeiziehenden laben.“ zum Durstlöschen einladen. Die Segnung nahm in dieser herrlichen Kulisse und im Beisein der Freunde von der Schützenkompanie Leifers Herr Pfarrer Anton Niederstätter vor. Christian Ainhauser, Schütze und Wirt vom Gasthof Planitzer, lud alle Anwesenden zu einem anschließenden Umtrunk ein. Es ist dies der zweite Brunnen, nach dem am „Häusl-Platzl“, welchen die Kompanie im Dorf errichtet hat.
Wohl niemand hätte bei der Gründung der Kompanie nur im Entferntesten daran gedacht, jemals die historischen Waffen wieder tragen zu dürfen. Im Jahre 2000 war es soweit, nach 83 Jahren marschieren die Schützenkompanien im Lande wieder mit entschärften Säbeln und Gewehren auf und können bei kirchlichen und weltlichen Veranstaltungen voller Stolz Ehrensalven abfeuern. Im Schloss Enn nahm dies die Ehrenkompanie aus Neubeuern mit Hptm. Sepp Stadler vor. Als Dank für die langjährige Freundschaft überreichte ihm Hptm. Hubert Franzelin eine Schützenscheibe.
Auch hätte niemand damals daran gedacht, dass Montan wieder einen Schießstand erhält und fleißig diesem Schießsport beim jährlichen Urbani-Dorfschießen nachgegangen werden kann. Dieses läuft gerade und ist heuer dem Jubiläum der Kompanie gewidmet.
Lob und Dank galt am Jubeltag vor allem den Gründungsvätern Ehrenhauptmann Alfred Varesco, Ehrenoberleutnant Silvester Pernter, Ehrenleutnant Hansjörg Varesco, Heinrich Pichler und Sepp Ursch sowie er ersten Fahnenpatin Anna Goldner. Mit Mut und Weitsicht haben sie die Geschickte der Kompanie über viele Jahre gelenkt.
Alfred Varesco war es dann auch, der die Heldenehrung im Innenhof von Schloss Enn vornahm und in würdiger Weise der verstorbenen Mitgliedern der Kompanie und aller Tirolerinnen und Tiroler, die in den verschiedenen Kriegen für ihr Land das Leben gelassen haben, gedacht hat. Die Toten sollen uns Mahnung und Auftrag sein, sich weiterhin mit friedlichen Mitteln für die geliebte Heimat Tirol einzusetzen.
Mit Stolz blickt die Kompanie auch auf ihren Kameraden Elmar Thaler, der im Jahre 2011 zum Landeskommandanten gewählt wurde. Elmar Thaler hielt die Festrede und betonte in seinen Worten:
„Wir leben in einer Zeit, in der regionale Besonderheiten als Bereicherung gesehen werden sollten. Damals in der Zeit der beiden Weltkriege, als die eine Nation der anderen ihren Stempel aufdrücken wollte, versuchte man gewachsenes Kulturgut zu verwässern, abzuschaffen und zu verbieten. Wir sollten heute den Mut dazu haben, dies wieder rückgängig zu machen. Ich denke dabei ganz konkret an die pseudoitalienischen Ortsnamen, an die faschistischen Relikte und an all das, was uns seit jenen Tagen immer noch erhalten geblieben ist.
Vorbild dafür, wie ungezwungen das funktionieren kann – und auch das darf ich an dieser Stelle dankend anführen – ist uns unter anderem auch das Schloss Enn und seine gräfliche Familie. Die wenigsten der Gäste werden es wissen. Schloss Enn ist seit dem Jahr 1648 Besitz der Venezianer Patrizierfamilie Zenobio, die es damals vom hoch verschuldete Erzherzog Ferdinand Karl zur Tilgung seiner Schulden übertragen bekommen hatte. Deren Nachkommen, die Familie Rubin De Cervin Albrizzi, es heute noch besitzen und vor allem als Sommersitz nutzen.
Und diese Familie, ihr vor wenigen Jahren verstorbenes Oberhaupt Baron Ernesto und heute sein Sohn Baron Giovanni, sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie man mit lokalen Kulturen umgeht. Immer wieder – und nur dann – öffnen Sie die Tore zu ihrem Schloss, wenn es darum geht, ganz besondere kulturelle Veranstaltungen hier zu zelebrieren. Und wenn es sich dann ausgeht und sie anwesend sein können, sprechen sie dann in ihren, in ihrer italienischen Muttersprache gehaltenen Ansprachen – etwa beim jährlichen Schlosskonzert – nicht etwa von der „Banda musicale di Montagna“ sondern wie selbstverständlich von der Musikkapelle Montan, nicht von einem castel’d’enna sondern vom Schloss Enn.
Es mögen dies Kleinigkeiten sein. Ich erinnere mich genau wie unsere Schützenkompanie dem Schlossherrn im Jahre 1998 anlässlich 350 Jahre Anwesenheit der Familien Zenobio-Albrizzi gänzlich außerhalb des vorgesehenen Protokolls eine weiß-rote Tiroler Fahne überreicht hat. Seine sichtbare Rührung und die Anweisung an den Schlossverwalter, sofort eine weiß-rote Fahnenstange zu installieren und hinkünftig an jedem Tiroler Feiertag die weiß-rote Fahne auf seinem Schloss zu hissen, ist aber letztendlich auch ein Beispiel dafür, wie herrlich Zusammenleben zwischen Völkern funktionieren kann, wenn das regionale und nicht das nationale im Mittelpunkt steht. Wenn man auch, selbst aus einem anderen Kulturkreis stammend, lokale Leitkulturen anerkennt, sich an ihnen erfreut und sie so vorbildhaft mitlebt.
Und hier liegt unser aller Auftrag für die Zukunft. Unsere Leitkultur kann nur jemand mitleben, wenn wir sie vorleben. Jemanden dazu animieren die Tiroler Fahne auszuhängen und Flagge zu zeigen – auch im sprichwörtlichen Sinne, werden wir nur dann können, wenn wir es selbst auch tun. Und in unseren Bestrebungen auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit werden wir nur dann ernst genommen werden, wenn wir diese echt und authentisch fordern und dabei nicht immer auf später und alle erdenkbaren Wenn und Aber‘s verweisen.“
Im Anschluss an die Feierlichkeiten im Schloss bot sich Montan ein wahres Fahnenmehr. Die Abordnungen mit den Ehrengästen – allen voran Bezirksmajor Jürgen Werth, Landtagsabgeordneter Oswald Schiefer, Bezirkspräsident Edmund Lanziner, den verschiedenen Bundesleitungsmitgliedern, Ehrenmitglied Franz Simeoni und vor allem der immer den Schützen von Montan wohlgesinnten und unterstützenden Bürgermeisterin Monika Delvai Hilber – marschierten bis zum Festplatz, wo die Musikkapelle Montan das Jubiläumsfest besonders gekonnt austrug.