PRAD – Zu einer Podiumsdiskussion über das anstehende Verfassungsreferendum in Italien und dessen Vor- und Nachteile für die Südtiroler hatten die Schützenkompanie Prad und der Südtiroler Schützenbund gemeinsam geladen. Nachdem Daniel Alfreider (SVP) und Manfred Schullian (SVP) ihre Teilnahme aufgrund wichtiger politischer Termine wieder absagen mussten, konnte mit dem Vinschger Parlamentarier Albrecht Plangger (SVP) dennoch kurzfristig ein Vertreter Südtirols der Parlamentarier einspringen. Das Podium war weiters mit dem Landeskommandanten Elmar Thaler (SSB) sowie den Landtagsabgeordneten Pius Leitner (F) und Sven Knoll (STF) prominent besetzt. Auch im Publikum fanden sich neben rund 200 Interessierten zahlreiche bekannte Politiker ein.
Nach der Begrüßung durch den Hauptmann der Schützenkompanie Prad, Alfred Theiner, führte Eberhard Daum gekonnt durch den Abend.
Pius Leitner kritisierte gleich zu Beginn die fehlende Information in der Bevölkerung über die anstehende Abstimmung. Dabei warnte er eingehend davor, einer zentralistisch ausgerichteten Verfassungsreform zuzustimmen, die ein Wahlgesetz beinhaltet, dem zufolge einer einzigen Partei mit 25−30% Stimmenanteil automatisch mehr als 50% der Sitze im Parlament zustehen. Damit habe Südtirol für ihn de facto nichts mehr zu sagen, da die politischen Vertreter unseres Landes nicht mehr entscheidend seien.
Albrecht Plangger hob die für ihn wichtigsten Punkte, nämlich die Lösung von zwei grundlegenden Bereichen im italienischen Staatsapparat hervor. Das seien zum einen die Kompetenzverteilung zwischen Regionen und Staat, und zum anderen das aktuell noch bestehende perfekte Zwei-Kammern-System. Diese Punkte würden in der Verfassungsreform optimal gelöst werden, und die Autonomie Südtirols könne nur im Einvernehmen mit dem Staat abgeändert werden. „Der Staat kann hierbei nur Ja oder Nein sagen“, so Plangger.
Sven Knoll erklärte die Verfassung Italiens als einen Rahmen, in welchem sich der Staat organisiert, sich Gesetze gibt sowie Kompetenzen verteilt. Während die im Jahre 2001 durchgeführte Reform diesen Rahmen in Richtung Föderalismus erweitert hatte, soll dies 2016 wieder alles ausgelöscht werden, so seine Befürchtung. Die am 4. Dezember zur Abstimmung stehende Reform gehe nämlich wieder in Richtung Zentralismus und wäre damit das Gegenteil von Autonomie. Die Interessen Südtirols würden, so Knoll, vor dem Verfassungsgerichtshof nicht bestehen können, da dieser immer im Sinne des Nationalstaates entscheiden würde.
Elmar Thaler erläuterte, dass es einem der Hausverstand einfach vorgebe, dass eine Minderheit einer zentralistischen Verfassung des Staates unter keinen Umständen zustimmen darf. Zudem sei die von der SVP so oft angesprochene Schutzklausel kein wirklicher Schutz, da sie als Übergangsregelung in Kraft treten würde; nämlich so lange, bis Südtirols Autonomiestatut angepasst wird. Der Landeskommandant pflichtete ebenfalls der Befürchtung bei, dass Südtirol bei wichtigen Entscheidungen vor dem italienischen Verfassungsgerichtshof kaum Erfolg haben wird.
Parlamentarier Albrecht Plangger ging darauf auf die sogenannte Schutzklausel ein und betonte dabei: „Wir sind mit der Autonomie in keiner zufriedenstellenden Situation.“ Dennoch sei es für ihn wichtig, dass jene Kompetenzen, welche Südtirol nach der Streitbeilegung 1992 erhalten habe, nun endlich auch Platz im Autonomiestatut finden müssten. „Daher müssen wir unser Paket aufschnüren, um etwas hineinzupacken, und nicht, um uns etwas nehmen zu lassen“, so Plangger, der dabei auch auf die Schutzmacht Österreich verwies, die Südtirol sicherlich zur Seite stehen würde, damit keine Kompetenz verloren ginge. Die Reform bringe laut ihm insgesamt etwas Neues, weil Änderungen nur im Einvernehmen geschehen würden.
Pius Leitner entgegnete Plangger, dass das angesprochene Einvernehmen stumpf und nicht verbindlich sei. Was hingegen aber verbindlich sei, ist die Suprematie-Klausel, welche eindeutig in der Verfassung verankert ist. Damit würde sich Italien die Möglichkeit einräumen, sämtliche Entscheidungen im nationalen Interesse durchzuboxen. Außerdem warnte er vor einem Szenario, wenn Italien die Reform insgesamt ablehne, und Südtirol hingegen Ja sage, weil die SVP um diese Stimme wirbt.
Dem stellte Plangger entgegen, dass den Regionen Italiens nichts genommen werde. Viele Regionen hätten mit ihren neu dazugewonnenen Kompetenzen nichts anzufangen gewusst und diese wieder an den Staat zurückgeschoben. „Die Regionen wollten diese Kompetenzen nicht, sondern nur das Geld“, so Plangger.
Eine interessante Alternative zur diskutierten italienischen Verfassungsreform brachte anschließend der Landtagsabgeordnete Sven Knoll ins Spiel. Er schlug vor, dass anstatt zu einem Ja zur Reform ein bilaterales Abkommen mit Italien und Österreich angestrebt werden sollte. Darin enthalten sein sollten alle Kompetenzen des Landes sowie ein Vetorecht zu etwaigen einseitigen Abänderungen von Seiten Italiens. Diese Reform lehne er vor allem auch deshalb ab, weil ein Ministerpräsident mit weniger Stimmen automatisch mehr Mandate bekommen soll. „Zudem ist er nicht einmal vom Volk gewählt“, so Knoll.
Viele Teilnehmer meldeten sich anschließend zu Wort, um ihre Meinung zur Thematik vorzubringen sowie Fragen an die Teilnehmer am Podium zu stellen. Für viele überraschend, hatte sich auch der ehemalige SVP-Parlamentarier in Rom Dr. Hans Benedikter in das Publikum gemischt und mit einer Wortmeldung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dabei nannte er den Vinschger SVP-Parlamentarier einen „begnadeten Märchenerzähler“, der die Dinge völlig anders darstellen würde, als sie sind.
In seiner Wortmeldung lobte er u.a. seinen Kollegen Roland Riz für seine Arbeit: „Wir haben in Südtirol noch nie einen Verfassungsexperten wie Roland Riz gehabt. Riz warnt eindringlich vor einer Zentralisierung, gegen die Südtirol nie eine Chance haben wird.“ Darauf verwies Benedikter ebenfalls auf seine jahrelange Erfahrung mit den Politikern in Rom, die ihn in dieser Position bekräftigen würde. „Halbwahrheiten und Legenden täuschen mich nicht“, so Benedikter in Richtung des SVP-Parlamentariers Albrecht Plangger.
Weitere Wortmeldungen aus dem Publikum drehten sich vor allem um die Themen der Zentralisierung, der möglichen Gefahren für die Südtirol-Autonomie sowie die vieldiskutierte Schutzklausel, die sich am Ende als „Übergangsbestimmung“ herausstellte, was auch Albrecht Plangger bestätigte.
Das Interesse der Bevölkerung war insgesamt sehr groß und von einem angeblichen Desinteresse der Bevölkerung gegenüber einem von vielen als „trockenes Thema“ bezeichneten Verfassungsreferendum war zumindest an diesem Abend in Prad wenig zu spüren. Zum Nachdenken angeregt haben abschließend die Worte des Landeskommandanten: „Wir haben heute einen ganzen Abend lang diskutiert, und selbst Experten innerhalb der Mehrheitspartei sind sich nicht einig. Das einzige, was sicher ist, ist, dass wir ohne Zugehörigkeit zu Italien dieses Dilemma erst gar nicht hätten.“