BRUNECK – „War die JA-Empfehlung von RA Dr. Schramm wirklich ernst gemeint?“ Diese Frage stellt sich dem interessierten Leser angesichts des Beitrags „Überlegungen zum Referendum“ von RA Dr. Dieter Schramm. Gleich vorweg: es sei Dr. Schramm zugutegehalten, dass er es wirklich nicht einfach hatte. Der Spagat zwischen treffender juristischer Analyse im ersten Teil seines Beitrages und der (von der SVP-Führung) gewünschten, abenteuerlichen Schlussfolgerung im zweiten Teil war wirklich ein Kunststück. Wenn auch kein überzeugendes, aber das ist eher den Umständen als dem Autor selbst anzulasten.
Denn wenn man zunächst juridisch gekonnt herausarbeitet, wie negativ diese Verfassungsreform für Südtirol ist und wie schwach die sog. „Schutzklausel“, dann fällt natürlich die abschließende Empfehlung für ein fröhliches „JA“ etwas aus dem Rahmen und kommt doch sehr überraschend daher.
Denn gerade Dr. Schramms Beitrag macht ein „NEIN“ zu dieser Reform geradezu zwingend.
Im Detail: wieso sollte man als Südtiroler Wähler für eine Verfassungsreform stimmen, die (wie Dr. Schramm richtig schreibt), einen zentralistischen Staat zum Ziel hat? Einen Zentralismus, den die Südtiroler und gerade die SVP seit Jahrzehnten stets konsequent bekämpft haben?
Nun, so Dr. Schramm, es gebe ja die „Schutzklausel“. Doch Dr. Schramm selbst räumt ein, dass über dieser „Schutzklausel“ das Damoklesschwert des Verfassungsgerichtes hängt. Das Verfassungsgericht wird es sein, das die Anwendung dieser „Schutzklausel“ zu prüfen hat. Das Verfassungsgericht wird es sein, das die Reichweite dieser „Schutzklausel“ bestimmen wird. Und das Verfassungsgericht wird es sein, das darüber entscheidet, was passiert, wenn sich Südtirol mit Italien nicht auf eine „Überarbeitung“ des Autonomiestatutes einigt. All dies arbeitet Dr. Schramm in seinem Beitrag präzise heraus. Und Dr. Schramm selbst schreibt dann korrekterweise, dass dieses Verfassungsgericht „zentralistisch eingestellt“ sei.
Es sei hier die Bemerkung erlaubt: wohl wahr, zentralistisch ist es, das Verfassungsgericht. Und wahrlich kein Freund Südtirols. Doch ist damit das Dilemma nur unzureichend beschrieben. Man erinnere sich: als Südtirol mit Italien im Jahr 2014 das letzte Finanzabkommen ausgehandelt hat, hat Südtirol auf kolportierte 2 Milliarden Euro verzichtet, die bereits vor dem Verfassungsgericht eingeklagt worden waren. Und zwar deshalb, weil man damals unsicher war, wie das Verfassungsgericht urteilen würde.
Also wenn es um das Südtiroler Steuergeld ging, da war der SVP-Führung der Gang zum Verfassungsgericht zu riskant und man zog es vor, einen Kompromiss mit Rom zu schließen. Aber wenn es nun gleich um die ganze Südtirol-Autonomie geht, dann sieht die selbe SVP-Führung den Urteilen des selben Verfassungsgerichtes fröhlich entgegen?
So soll also der „Schutz“ aussehen, aufgrund dessen wir Südtiroler einer zentralistischen Verfassungsreform zustimmen sollen? Als einer der besten Juristen dieses Landes weiß Dr. Schramm all dies. Daher verwundert es auch nicht, dass er als Begründung für sein überraschendes „JA“ eben gerade KEINE juristischen Argumente heranzieht. Denn es ist offensichtlich, dass die Rechtslage dies nicht hergibt.
Sein Argument ist ein rein politisches: scheitert das Verfassungsreferendum, dann scheitert die Regierung Renzi, die uns Südtiroler anscheinend so lieb hat. Damit hat Dr. Schramm sicherlich ebenfalls Recht. Aber wer sagt uns, dass die Regierung Renzi nicht auch nach einem Sieg des „JA“ scheitert? Etwa, weil einer der Koalitionspartner von Renzi, wie üblich, eine Regierungskrise provoziert? In Italien ist dies bekanntlich an der Tagesordnung.
Und was dann? Dann finden wir Südtiroler uns in einem zentralistischen Staat wieder, mit einer „Schutzklausel“, deren Wert ein Topjurist wie Dr. Schramm richtigerweise als fraglich einschätzt und mit einer neuen Regierung, die uns wahrscheinlich nicht so lieb hat wie die Regierung Renzi (wobei sich auch deren Liebesbeweise bisher eher spärlich zeigten).
Man fragt sich wirklich, was die SVP-Führung geritten hat, als sie sich auf ein „JA“ festlegte. Wahrscheinlich fragen sich das auch all diejenigen SVP-Funktionäre, die von dieser „JA“-Euphorie ebenfalls nicht sonderlich überzeugt sind. Aber mitgehangen, mitgefangen.
Interessant übrigens auch, dass all diejenigen SVP-Vertreter, die nichts mehr zu verlieren haben, aufgrund der Unsicherheit dieser „Schutzklausel“ ganz klar für ein „NEIN“ eintreten – manche öffentlich, manche nur halb-öffentlich. Aber alle eindeutig.
Das sollte uns Südtirolern zeigen, wie wichtig es ist, bei dieser Grundsatzfrage eine eigene Entscheidung zu treffen. Und dies kann nur bedeuten, beim Verfassungsreferendum mit einem klaren „NEIN“ zu stimmen. Das sollte jeder tun dem seine Heimat Südtirol mehr am Herzen liegt als der Staat Italien! Bei uns Schützen ist das so und bei vielen anderen sicher auch.
Haymo Laner
Bezirksmajor Schützenbezirk Pustertal