Im Januar 1947 sprengten die Amerikaner den „Ehrentempel“ an der Feldherrnhalle, den der Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1935 am Königsplatz in München errichten ließ – zu Ehren der beim Hitlerputsch am 9.11.1923 ums Leben gekommenen 16 Nationalsozialisten.
In Südtirol aber stehen heute noch reihenweise faschistische Denkmäler und Bauten, die dem Faschismus mit Symbolen, Aufschriften und Reliefs huldigen und ihn verherrlichen. Das Siegesdenkmal in Bozen ist das faschistische Bauwerk.
Bis heute wird dieses faschistische Denkmal durch hohe Zäune und mit Videokameras geschützt, Millionen werden für dessen Erhaltung und Säuberung ausgegeben. Alle Bemühungen, dieses „versteinerte Symbol faschistischer Ideologie“ durch zusätzliche gestalterische Maßnahmen zu einem Mahnmal gegen den Faschismus zu machen, werden von der italienischen Regierung auch noch im Jahre 2000 verhindert. „Eine arrogante Demonstration der Italianisierung Südtirols“ nennt das der Historiker Rudolf Lill.
Nach der Entscheidung für den Bau des Siegesdenkmals am 10. Februar 1926 in der römischen Abgeordnetenkammer wurde der Grundstein am 12. Juli 1926 gelegt, und zwar genau an der Stelle, wo das im Rohbau bereits fertiggestellte Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Kaiserjäger stand. Dieser Rohbau wurde gesprengt, damit das Siegesdenkmal errichtet werden konnte. Welche Demütigung für Tiroler, Österreicher und Deutsche!
Die Grundsteinlegung wurde zu einer politischen Demonstration: König Viktor Emanuel III., die Marschalls Cadorna und Badoglio, die Minister Fedele und Cavallaro, Tolomei usw. nahmen daran teil. Der Trientner Fürstbischof Endrici weihte das Unternehmen. Aus der in den Grundstein eingemauerten und von Gabriele D‘ Annunzio auf Pergament geschriebenen Siegeskundgebung geht hervor, daß mit diesem Denkmal den Tirolern die Macht des italienischen Staates vor Augen geführt werden soll. Und der mit dem Entwurf des Denkmals beauftragte Regime-Architekt Marcello Piacentini bedankte sich bei Mussolini unter anderem mit den Worten „Meine Absicht ist, ein wahrhaft faschistisches Denkmal zu schaffen und mit der Kraft der Kunst und den Symbolen der Romanität die ewige Jugendlichkeit unseres Geschlechtes zu unterstreichen“ (Rolf Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, S.102 ff.). Die offizielle Einweihung erfolgte am 12. Juli 1928 im Beisein des Königs, des Herzogs von Aosta, des Grafen von Turin, des Herzogs der Abruzzen sowie hoher faschistischer Würdenträger. Fürstbischof Endrici spendete erneut den kirchlichen Segen, der faschistische Minister Giurati vertrat Mussolini und erklärte u.a., das Denkmal werde eingeweiht, um zu betonen, daß:
- diese Stadt den italienischen Charakter unberührt bewahrt und sich von jeder Vermummung (deutsche Einwanderer im 19. Jh.) befreit habe;
- die durch einen Kranz von Gipfeln bezeichnete Grenze niemals mehr geändert werde;
- „Ein großes Volk von nüchternen und scharfsinnigen Arbeitern und Soldaten nicht dulden kann, daß die von Gott errichteten Grenzen auch nur diskutiert werden. Es kann nicht zulassen, daß als Vorwand für die kühnen Ansprüche die unendlich kleinen Minderheiten dienen, die während der verflossenen Jahrhunderte in einige Provinzen einwanderten“.
Dem König gegenüber versicherte Giurati, „mit Manneszucht den Marsch wieder aufzunehmen, wenn Eure Majestät noch einmal den Ruf ergehen lassen werden“. Und Bozens Amtsbürgermeister Alfonso Limongelli erließ am Tage vor der Einweihung des Denkmals einen Aufruf, „das (das Denkmal) wollte der herrliche Duce hier zur Verherrlichung unserer Waffen gesetzt haben “ (Othmar Parteli; Geschichte des Landes Tirol, Bd. 4/1, S. 259 ff.).
Ursprünglich sollte ein Cesare-Battisti-Denkmal errichtet werden, doch die Angehörigen Battistis protestierten dagegen. Mussolini selbst hatte an ein „Siegesdenkmal“ gedacht, um „den Sieg des ganzen italienischen Stammes über die eroberte Grenze zu unterstreichen, in Bozen nicht nur den Märtyrer der Irredenta zu feiern, sondern und vor allem den Triumph des Waffengeschlechtes, dem der Krieg eine große Zukunft eröffnet hat“. Mussolini selbst hat das Denkmal entworfen, die Gestaltung oblag dem Paradearchitekten des italienischen Faschismus Piacentini (Eduard Widmoser, Südtiroi A-Z, Bd. 4, S. 232 ff.).
Das Siegesdenkmal ist Träger vieler Botschaften des Faschismus:
1) Liktorenbündel
Die 14 gewaltigen Liktorenbündel, die den Triumphbogen tragen, stellen als Bildsymbol des Faschismus die „žFasces“œ dar: es ist ein Bündel von Stäben mit einem am äußeren Rande eingesteckten Beil; im alten Rom wurden sie von Liktoren, den höchsten Befehlshabern (Diktatoren, Konsuln oder Prätoren) als Amts- und Würdezeichen vorangetragen. Sie galten als Symbol für die Herrschaft über Leben und Tod. Die durch ein gemeinsames Band zusammengehaltenen Stäbe wurden als symbolische Aufforderung zu nationaler Geschlossenheit ausgelegt; für Mussolini selbst waren sie ein „Symbol der Einheit, der Kraft und der Gerechtigkeit“. 1926 wurden die Fasces zum Staatssymbol erhoben, bis 1943 blieben sie es (Manfred Lurker, Wörterbuch der Symbolik, Kroners Taschenbuchverlag, Bd. 464, S. 190 ff.). Als Staatssymbol stellen sie somit das faschistische Herrschaftssystem sinnbildlich dar: Militanter Antiliberalismus, prinzipielle Feindschaft gegenüber der Demokratie, extremer Nationalismus, der den Einzelnen der Nation total unterordnete und in der Regel expansive Ziele verfolgte (z.B. gegen Minderheiten im eigenen Lande), „Kultische Verehrung gegenüber einem allmächtigen Führer sowie Herausbildung eines Ethos, welches bedingungslosen Befehlsgehorsam, Konformismus sowie Haß gegen Außenseiter und abweichende politische Auffassungen, ständige Bereitschaft zur Anwendung physischer Gewalt und Verachtung für alles Schwache forderte“ (Enzyklopädie des Nationalsozialismus, DTV 3900, S.453 ff.), Gleichschaltung aller staatlich-sozialen Bereiche mit dem Willen des Führers, totale Kontrolle des Einzelnen, politische und physische Vernichtung des ideologischen Gegners, brutale Gewaltanwendung gegen den Kompromißcharakter des bürgerlich-liberalen Systems. „Der Rassismus des italienischen Faschismus war von älterer (als im dt. Reich), kolonial-imperialistischer und apartheidlicher Art; er unterdrückte ganze Völker und zwang sie zu einer diskriminierenden Randexistenz“ (DTV 3900, S. 455); am 17.11.1938 beschloß das faschistische Italien noch antisemitische Rassengesetze.
2) Altar
Um die Verbindung zwischen dem Faschismus und der katholischen Religion darzustellen, steht im Brennpunkt des Denkmals ein Altar mit dem auferstandenen Christus, der das auferstandene faschistische Italien verkörpern sollte – ein Symbolgehalt, der auch den diesen Altar umgebenden „Trentiner Märtyrern“, den Irredentisten Cesare Battisti, Damiano Chiesa und Fabio Filzi, zugedacht war (Othmar Barteli, Geschichte des Landes Tirol, Bd. 4/1, S. 262). Was haben diese Irredentisten, sie kämpften für den Anschluß des ital. Trentino ans Königreich Italien, mit Südtirol zu tun? Die Südtiroler brauchten sie nicht zu „žerlösen von der österreichischen Knechtschaft“, die Knechtschaft haben die Südtiroler erst unter Italien bitter erfahren müssen.
3) Siegesgöttin
Die Stirnseite zeigt im Oberteil eine römische Göttin, die „Vittoria Sagittaria“, die den Pfeil in Richtung Norden abschießt. Sie sollte die Mahnung an Österreich und ans Deutsche Reich darstellen, daß die politische Unnachgiebigkeit des faschistischen Staates in bezug auf Südtirol weiter bestehen würde
4) Inschrift
Unter der Siegesgöttin stehen weithin lesbar die lateinischen Lettern (siehe Bild oben): „žHIC PATRIAE FINES SISTE SIGNA, HINC CETEROS EXCOLUIMUS LINGUA LEGIBUS ARTIBUS“œ. Zu deutsch: Hier stehe, du Zeichen, an den Grenzen des Vaterlandes, hierhin brachten wir den Anderen Sprache, Gesetze und Kultur. Die Verszeile -hinc ceteros excoluimus- ist dem Werk des römischen Dichters Publius Vergilius Maro entnommen, wo es statt „ceteros“ „barbaros“ heißt. Winfried Adler sagt dazu, dies sei ein Akt italienischer Höflichkeit gewesen, wenn statt des Wortes „barbaros“ der neutralere Begriff „žceteros“ gesetzt worden sei. Diese Inschrift ist übrigens vom italienischen Unterrichtsminister Pietro Fedele (1925-1928) beigestellt worden.
Präpotenter, überheblicher und das angestammte Tiroler Volk beleidigender geht es nicht mehr!
Hier wird alles getan, um das angestammte Tiroler Volk „žauf dem Weg zum bürgerlichen Tod zu demoralisieren … Es bestand in der Verächtlichmachung der fremden Nationalität. Hierher gehört die Inschrift auf dem Bozner Siegesdenkmal, in der es heißt, Italien habe von der Etsch aus die anderen – das heißt die Barbaren – mit den Segnungen der Kultur, der Zivilisation und des Rechts bedacht“ (Claus Gatterer, Im Kampf gegen Rom, S. 491). Dieses „ceteros“ bzw. „barbaros“ wurde zu einer Zeit vom italienischen Unterrichtsminister Fedele angebracht, in der ein Viertel der Bevölkerung Italiens nicht lesen und schreiben konnte, während der entsprechende Anteil in Südtirol einen Prozent ausmachte. Was die Gesetze („legibus“) betrifft, sagt der anerkannte Gelehrte Prof. Piero Calamandrei von der Universität Modena 1919 in der „Rivista del diritto commerciale e del diritto generale delle obbligazioni“, daß das italienische „Gesetzbuch…. bestimmt eines der schlechtesten unter den Gesetzbüchern der heutigen Staaten“ sei, während das österreichische von 1895 „das beste darstellt, was die Prozeßwissenschaft bisher auf dem Gebiete der positiven Gesetzgebungen hervorgebracht hat“ (Othmar Parteli, Geschichte des Landes Tirol, Bd. 4/I, S. 263 ff.).
Auf Seite 266 sagt im eben zitierten Buch Othmar Parteli: „So wurde das Bozner Siegesdenkmal für Italien ein zu Stein gewordener Skandal, ein Zeugnis der Vergewaltigung und der Geschichtsfälschung faschistischer Prägung, nach Guido Calogero sogar eine ‚Manifestation einer schlechten Idee, festgehalten in einem schlecht gelungenen Machwerk‘, eine ‚Ausgeburt von Häßlichkeit‘ und ‚eine Geste der Präpotenz‘. „Dieses ‚Monumento alla Vittoria‘ – kein offizielles Gefallenendenkmal übrigens, wie man die Südtiroler Bevölkerung bis 1997 glauben ließ und was vom Südtiroler Schützenbund aufgedeckt wurde – ist bis heute Sammelpunkt der italienischen Nationalisten, um Italianitá, den Sieg über Österreich und die Unterwerfung der ‚deutschen Barbaren‘ zu feiern. Für die Italiener in Südtirol ist es Symbol für Italienertum, für jeden Südtiroler zu Stein gewordener Ausdruck der Unterdrückung und Unfreiheit“ (Richard Piock, Sonderausgabe der Tiroler Schützenzeitung, 80 Jahre Frieden von Saint Germain, 80 Jahre Zerreißung Tirols, S. 21).
Jährlich, am 4. November, legen Abgeordnete und Mitglieder der „AN“ (Alleanza Nationale) und der „Unitalia“ vor diesem Denkmal Kränze nieder; sie feiern den Sieg über Österreich und die faschistische Unterdrückung und gewaltsame Entnationalisierungspolitik des Faschismus im südlichen Tirol. Sie bekennen sich durch diese Haltung zum Faschismus und identifizieren sich damit, und dies alles im 3. Jahrtausend.