GIRLAN – Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte das Publikum in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Tannerhof in Girlan die szenische Lesung „Inferno Tesselberg“, zu der die Schützenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ Eppan am 29. Mai 2015 geladen hatte. Diese gemeinsame Produktion des Schützenbezirks Pustertal und des Südtiroler Schützenbundes wurde auf Initiative von Andreas Wenter nun erstmals auch im Überetsch aufgeführt.
Am 10.09.1964 erlebte Tesselberg am Berghang oberhalb von Gais ein wahres Inferno, als Hundertschaften von italienischer Polizei und Militär das kleine Bergdorf überfiel. Auf der Suche nach Südtiroler Freiheitskämpfern wurden die Dorfbewohner wie Tiere zusammengetrieben, Männer mussten stundenlang gefesselt am Boden liegen, Kinder wurden von Polizisten eingekreist. Scheunen wurden abgebrannt, Häuser ausgeraubt, Handgranaten in Häuser geworfen, durch die Fenster wurde auf Menschen geschossen und in der Sakristei wurden sakrale Gegenstände zerstört. Ein behindertes Mädchen wurde angeschossen und durfte nicht verarztet werden. Und dies war noch nicht der Höhepunkt. Die Tesselberger entgingen knapp einer Katastrophe, als ein hoher Offizier die Nerven verlor und die Hinrichtung unschuldiger und unbeteiligter Dorfbewohner befahl. Dass es nicht dazu gekommen ist, ist wahrscheinlich nur einem einzigen Menschen zu verdanken…
Nach einer kurzen Begrüßung durch Hptm. Reinhard Gaiser verfolgte das Publikum gespannt die dramatischen Ereignisse vor 50 Jahren anhand einer szenischen Lesung, vorgetragen vom Prettauer Mundartdichter und Schauspieler Reinhold Bacher und von Stefan Liensberger.
Parallel dazu wurden Bilder der damaligen Zeit eingeblendet und verschiedene Zeitzeugenberichte verlesen.
Anschließend lauschten die Zuhörer gespannt den Erinnerungen des Frangarter Pfarrers Pater Georg Schraffl OFMCap, der selbst als 17-jähriger Oberschüler am Rande in diese Ereignisse mit hineingezogen worden und von den Carabinieri verhört worden war.
Die persönlich anwesende Autorin des Textes, die Pustertaler Bezirkskulturreferentin Verena Obwegs, erklärte, dass von damals noch vieles im Dunkeln liege und dass es nicht leicht gewesen sei, das Drama nachzuempfinden und in Szene zu setzen, das die Menschen damals erlebt haben. Einen Dank richtete sie auch an die die Mitglieder der Arbeitsgruppe Haymo Laner, Christian Steger und Efrem Oberlechner.
Anschließend gaben der Medienreferent des Südtiroler Schützenbundes, Efrem Oberlechner, der selbst an dieser Lesung mitgearbeitet hatte, die Kulturreferentin des SSB Dr. Margareth Lun und der Bezirksmajor Lorenz Puff kurze Stellungnahmen ab.
Der Abend wurde mit dem beeindruckenden Gedicht „Wo sein se heint?“ des Mundartdichters Reinhold Bacher abgeschlossen.
Mit einem Umtrunk, bei dem man sich über das Geschehene austauschen konnte, fand der gelungene Abend seinen Ausklang.