BOZEN – Aufgrund einiger Ereignisse in den letzten Wochen, hat das SSB-Online-Team Landeshauptmann Arno Komptascher zum Interview gebeten. Thema war zum einen sein Outing als Fan der Italienischen Fußballnationalmannschaft und zum anderen die Äußerungen von Bozens Bürgermeister Luigi Spagnolli in Sachen „Siegesfeiern“. Zudem haben wir Landeshauptmann Kompatscher mit dem Ergebnis der Meinungsumfrage des SSB an Süd-Tirols Olympioniken konfrontiert.
SSB-Online-Team: Herr Landeshauptmann, vor den Landtagswahlen haben Sie in einem Interview mit dem SSB-Online Team auf die Frage „Fußballspiel Österreich – Italien, wem drücken Sie die Daumen?“ gesagt: „Ich bin ein Fußballfreak der besonderen Art: Ich habe klare Präferenzen, wenn es um Fußballclubs geht. Bei Spielen der Nationalmannschaften, interessiert mich das Spiel als solches, meistens halte ich zu den Schwächeren.“ Nun sind Sie plötzlich Italienfan. Nur vorübergehend oder definitiv?
LH Arno Kompatscher: Angesichts des schlechten Abschneidens der italienischen Mannschaft bei der WM sehe ich in diesen Aussagen keinen Widerspruch. Aber im Ernst: Ich stelle hiermit zum wiederholten Mal klar, dass meine Präferenz für eine Fußballmannschaft bei der WM (zu der ich stehe) nichts mit meiner nationalen Zugehörigkeit zu tun hat und nehme an, dass das auch für die vielen Deutschland-Fans in Südtirol gilt. Österreich hätte ich aber gar nicht anfeuern können, weil es sich ja leider nicht für die WM qualifiziert hat.
SSB-Online-Team: Der Bürgermeister der Stadt Bozen, Dr. Luigi Spagnolli, ist der Meinung, dass es in der Vergangenheit bei „Siegesfeiern“ nach WM Spielen vor dem Siegesdenkmal nie politische Akzente gab. Zudem sollen die Schützen froh sein, dass es in Bozen keine umgekippten Autos, wie in anderen italienischen Städten gibt. Was halten Sie von diesen Aussagen?
LH Arno Kompatscher: Diese Aussagen des Bozner Bürgermeisters sind mir nicht bekannt, so dass es mir auch nicht zusteht, diese zu kommentieren. Grundsätzlich möchte ich aber unterstreichen, dass ich die Instrumentalisierung des Sports aufs Schärfste verurteile. Nationalistische Parolen am Siegesdenkmal – von umgekippten Autos und physischen Übergriffen ganz zu schweigen – sind befremdlich und einer zivilisierten Gesellschaft nicht würdig.
SSB-Online-Team: Bei einem Fußballspiel in Vierschach hat vor kurzem der italienische Schiedsrichter ganz offen damit gedroht, die Fußballer würden sofort die rote Karte bekommen, wenn sie mit ihm nicht italienisch sprechen. Den Trainern ist es – immer nach schriftlich vorliegender Stellungnahme des dortigen Fußballvereines – sogar untersagt worden, sich mit ihrer eigenen Mannschaft während des Spiels auf Deutsch zu unterhalten. Auch für Sie eine untragbare Entgleisung des Schiedsrichters? Und wie sollen Ihrer Meinung nach Süd-Tiroler Fußballspieler bzw. Funktionäre auf solche Vorfälle reagieren?
LH Arno Kompatscher: Zu diesem Vorfall hat bereits VSS-Obmann Günther Andergassen Stellung bezogen. Laut Andergassen liegen dem VSS kontroverse Sichtweisen und Wahrnehmungen vor, die darauf schließen lassen, dass die Beweggründe für diese Polemik möglicherweise anderswo zu suchen sind. Dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen, außer der Feststellung, dass auf dem Fußballplatz Fußball gespielt und nicht die Volksgruppen gegeneinander ausgespielt werden sollen.
SSB-Online-Team: Einige Süd-Tiroler Olympiateilnehmer würden – laut einer im Frühjahr vom Südtiroler Schützenbund durchgeführten Umfrage – nach einem erfolgreichen Wettbewerb gerne die Fahne Süd-Tirols in die Hand nehmen, fürchten für eine solche Aktion jedoch negative Konsequenzen. Wie beurteilen Sie diesen Umstand?
LH Arno Kompatscher: Diese Einschätzung kann ich nicht nachvollziehen. Die Sportler sollen ihre Erfolge so feiern, wie sie möchten. In diesem Sinne sehe ich es als selbstverständlich an, dass ein Südtiroler Sportler auch die Südtiroler Fahne schwenkt.
SSB-Online-Team: Viele Süd-Tiroler Spitzensportler würden sich – immer laut dem Ergebnis dieser anonym durchgeführten Befragung – anstelle der Staatsanstellung ein Arbeitsverhältnis beim Land wünschen. Werden Sie sich dafür stark machen?
LH Arno Kompatscher: Unsere Sportler brauchen gute Rahmenbedingungen, um trainieren zu können. Wir sind grundsätzlich bestrebt, auch in diesem Bereich Zuständigkeiten zu erhalten, um sicherzustellen, dass die Sportler trotz knapper werdender Ressourcen weiterhin optimale Möglichkeiten haben.
SSB-Online-Team: Ein ehemaliger Süd-Tiroler Weltklasserodler behauptet in einer Stellungnahme in der Tiroler Schützenzeitung, dass Athleten aus Süd-Tirol bei sportlichen Großereignissen immer wieder politisch missbraucht werden. Teilen Sie diese Meinung?
LH Arno Kompatscher: Sport und Sportler sollten NIE und von KEINER SEITE politisch vereinnahmt werden.
SSB-Online-Team: Wird die Sportautonomie für Süd-Tirol in Zukunft angestrebt?
LH Arno Kompatscher: Wir sind auf gutem Wege, die Sportautonomie schrittweise auszubauen, aber es gibt heute schon viele Möglichkeiten. Manche Verbände schöpfen ihre Möglichkeiten mehr aus, andere weniger.
Niemand wird es einem verübeln, wenn man beim Lesen dieser Antworten den Eindruck bekommt, dass die in den Fragen angesprochenen Probleme entweder ignoriert werden oder man versucht, ihnen mit sehr allgemein gehaltenen Forderungen aus dem Weg zu gehen. Dass Arno Kompatscher nichts von Spagnollis skandalösen Aussagen gehört oder gelesen hat, erstaunt. Zumindest nachlesen hätte er es auf jeden Fall können.
Klar ist seine Forderung, dass es nationalistische Parolen am faschistischen Siegesdenkmal nicht geben darf. Was der Landeshauptmann gegen solche Instrumentalisierung des Sports konkret zu tun gedenkt, diese Antwort bleibt er uns aber schuldig. Im Wahlkampf ist es vielleicht verständlich, dass ein Kandidat umstrittene Themen vermeiden möchte oder einfach mit Allgemeinparolen abfertigt. Aber als Regierungschef muss Herr Kompatscher schon auch einmal klare – und vor allem konkrete – Akzente setzen.
In seinen Antworten will der Landeshauptmann wohl auch einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass Süd-Tiroler Athleten negative Konsequenzen drohen, wenn sie auf dem Spielfeld ihre Muttersprache sprechen oder nach einem Olympiasieg mit der Landesfahne feiern möchten. Das Problem existiert einfach nicht, basta – auch wenn die vom Südtiroler Schützenbund unter den Olympiateilnehmern gesammelten Antworten eine klare Sprache sprechen!
In diesem Zusammenhang kann man über die Aussage des Landeshauptmanns, Sportler und Sport sollten nie politisch vereinnahmt werden, nur den Kopf schütteln. Herrn Kompatscher sind wohl nicht nur Spagnollis Aussagen entgangen, er hat möglicherweise auch noch nichts vom „Hymnenskandal“, der 2006 den erfolgreichen Olympiarodler Gerhard Plankensteiner überrollte, gehört.
Der Landeshauptmann übersieht hier ganz einfach, dass die Vereinnahmung der Süd-Tiroler Athleten durch den Nationalstaat eine Gegebenheit ist. Hier wäre sein konkreter Einsatz – jetzt – gefragt. Da genügt es nicht, vage von grundsätzlichen Bestrebungen und schrittweisem Ausbau der Sportautonomie zu reden.
Herr Landeshauptmann, machen Sie endlich einen konkreten, klar definierten Forderungskatalog mit einer Zeitschiene für die Umsetzung der viel gepriesenen Sportautonomie und teilen Sie diesen der Bevölkerung mit! Wir sind gespannt.
Euer SSB – Online Team