GAIS – Vor fast genau 100 Jahren brach der I. Weltkrieg aus. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts brachte Tod und Hunger über ganz Europa und die restliche Welt. Große Auswirkungen hatte der Krieg auch für das südliche Tirol. Gegen den Willen der Bevölkerung wurde ein Teil des Landes Tirol dem Staat Italien angeschlossen.
Die Schützenkompanie Gais veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schützenbund zu diesem Anlass am Samstag, 21. Juni. 2014 eine Gedenkveranstaltung in der Feuerwehrhalle von Gais.
Der Einladung mit dem Zitat aus dem Kriegstagebuch von Karl Ausserhofer: „Die Läuse peinigen die Leut noch ärger als die Italiener“ folgten u.a. Senator Hans Berger, Bürgermeisterin Dr. Romana Stifter, der Referent für Kultur und kulturelle Vereine Manfred Brugger und der Major des Bezirkes Pustertal Haymo Laner.
In der Einführung zur Veranstaltung erläuterte der ehemalige Landeshauptmann von Tirol Dr. Wendelin Weingartner die politische Situation in Europa am Beginn des 20. Jahrhunderts und berichtete über den Auslöser des Krieges und der Entwicklung, welche schließlich zum Ausbruch des ersten weltumfassenden Krieges führte.
Europa befand sich Anfang des 20 Jahrhunderts im Umbruch. Die Industrielle Revolution veränderte die Gesellschaft, Kirche und alte Ordnungen verloren an Einfluss, vor allem Deutschlands Sorge, dass die benachbarten Staaten stark aufrüsten und schon bald in einem Krieg nicht mehr besiegbar seien, aufkeimender Nationalismus in allen Gebieten Europas – dies alles führte in den politischen Eliten aller einflussreichen Mächte in Europa zu einer gewissen Kriegsbereitschaft. Gleichzeitig fehlte die Bereitschaft zur Durchführung von Verhandlungen. Hätten die politischen Eliten in Europa auf diplomatischer Ebene nicht derart versagt, wäre vermutlich der Krieg vermeidbar gewesen, so Altlandeshauptmann Weingartner.
Bei Ausbruch des Krieges herrschte zunächst Kriegsbegeisterung – auch in Tirol. Während man anfangs in Tirol noch für den Kaiser kämpfte, kämpfte man nach dem Eintritt Italiens für die Heimat. Sogar die Kirche sprach von einem „Heiligen, gerechten Krieg“.Schnell legte sich jedoch die Begeisterung. Nach Eintreffen der ersten Nachrichten aus Galizien schwand die Kriegsbegeisterung und endete schon bald in Kriegsmüdigkeit (auch im Hinterland: Hunger und Mangel an allem, Männer fehlten in der Landwirtschaft, nur noch das Militär hatte das Sagen, und diesem fehlte die Sensibilität im Umgang mit der Bevölkerung…)Einige Worte sprach Dr. Wendelin Weingartner auch zum Kriegseintritt Italiens: auch hier versagte die Diplomatie zwischen Italien und Österreich, keiner war bereit, auf Forderungen des anderen einzugehen. Auch hier wäre der Krieg zumindest eine Zeitlang vermeidbar gewesen. Parallel zu den Verhandlungen mit Österreich führte Italien jedoch Verhandlungen mit England und Frankreich und sicherte sich für den Fall eines Kriegseintrittes Italiens an der Seite der Entente Gebiete, u.a. Tirol südlich des Brenners, Triest usw. Nachdem die Verhandlungen Österreichs ergebnislos blieben, erklärte Italien Österreich im Juni 1915 den Krieg.
Auch der Ahrntaler Karl Ausserhofer musste dem Aufgebot des k.k. Landsturmes folgen und am 1. August 1914 einrücken. Im zweiten Teil der Veranstaltung erzählte der Hauptmann der Schützenkompanie Gais Gerald Leiter von seinem Urgroßvater Karl Ausserhofer. Der damals 34-Jährige bewirtschaftete zu diesem Zeitpunkt seinen Heimathof „Oberschöllberg“ in Weissenbach im Ahrntal, war verheiratet und hatte bereits 5 Kinder.
Anfangs der Eisenbahnsicherung im Pustertal zugewiesen, wurde er ab 1915 in verschiedenen Frontabschnitten in den Dolomiten eingesetzt.
Seine Kriegserlebnisse hielt er in kleinen Heften fest. Die Tagebuchaufzeichnungen umfassen seine Eindrücke zu seinem Dienst als Soldat, große Teile nehmen seine Wahrnehmung zum Wetter, Unterkunft, Verpflegung, Feind, Tod und Krankheit, Hoffnung, Religion usw. ein.
Gerald Leiter las anschließend einige interessante und vielsagende Auszüge aus den Tagebüchern vor, welche inzwischen von der Historikerin Sigrid Wisthaler in einem Buch zusammengefasst wurden.
Mit der Entstehung der Dolomitenfront wurde Sexten zum direkten Frontgebiet. Der Dorfkern von Sexten wurde beschossen und zerstört, Teile Sextens mussten evakuiert werden.
Der Schütze und bekannte Sextner Krippenschnitzer Jörg Lanzinger erzählte im 3. Teil der Veranstaltung über die Situation in Sexten im I. Weltkrieg. Er wusste sehr Interessantes von Erzählungen seiner Vorfahren und von Schilderungen weiterer Sextner, welche den Krieg noch erlebt haben, zu berichten.