BOZEN – Jüngst hat Markus Warasin, seit 2005 Referatsleiter in der Verwaltung des Europäischen Parlaments, vorher von 1998 bis 2001 Mitarbeiter im Europäischen Parlament und von 2001 bis 2004 Generalsekretär des Europäischen Büros für Sprachminderheiten, in einem Interview mit dem Onlinemagazin stol.it eine bemerkenswerte und zugleich für viele überzeugte und zugleich heimatverbundene Europäer eine erschütternde Aussage gemacht:
„Das Schlagwort ‚Europa der Regionen‘ ist bei uns in Südtirol sehr beliebt, hat im Europäischen Diskurs aber überhaupt keine Bedeutung. Man kann sich kein Europa vorstellen, in dem Staaten durch Regionen ersetzt würden. Das ist völlig ausgeschlossen. Es ist aber sehr wohl ein Europa denkbar, in dem die Regionen eine stärkere Rolle haben. Die EU versteht unter einem Europa der Regionen die Förderung der Regionen durch Gelder aus Brüssel. Die Staaten werden aber nicht durch Regionen ersetzt werden, wie das bei uns manchmal gefordert wird. Das wird schon an der Rolle des Ausschusses der Regionen deutlich. Er ist ein beratendes Organ, es gibt ihn nun seit 15 Jahren und in dieser Zeit hat er hat sich nie weiterentwickelt. (…) Die Staaten hadern jetzt schon damit, Souveränität zu teilen; Reformen, die von Europa vorgegeben werden, umzusetzen ist schon äußerst kompliziert. Dass man die Souveränität langfristig abgibt, ist völlig undenkbar.“
Nun wird bei uns in Tirol bei jeder Gelegenheit betont, dass man an das „Europa der Regionen“ glaubt und daran arbeitet, die Nationalstaaten durch die europäischen Regionen abzulösen.
Bei vielen heimatverbundenen Menschen stellt sich nun die Frage, was davon nach den Aussagen von Herrn Warasin noch übrig bleibt. Der Südtiroler Schützenbund hat nun in einer Blitzumfrage die Meinung der Süd-Tiroler Kandidaten für die anstehende EU-Wahl kontaktiert und um ihre Einschätzung dazu gebeten. Sobald die Antworten eintreffen, werden sie hier veröffentlicht.
Antwort von Pius Leitner (eingelangt am 23.05.2014, 16.25 Uhr)
Europa der Regionen
Für die derzeitige EU gibt es nur die Nationalstaaten. Das steht in allen Verträgen. Als beratendes (!) Organ gibt es den so genannten Ausschuss der Regionen (AdR). Gerade weil es keine Einflußmöglichkeit seitens von Regionen gibt, bin ich dieser EU gegenüber sehr kritisch. Die Zustimmung der Menschen zu diesem Nationalstaaten-Projekt der EU ist nicht gegeben. Der Reichtum Europas ist seine Vielfalt an Völkern, Kulturen und regionalen Besonderheiten. Wer diese einebnen will, wird nie die Zustimmung der Menschen bekommen. Die vereinigten Staaten von Europa wird es hoffentlich nie geben, denn das wäre das Ende von Europa. Wenn man ein Europa der Regionen wirklich will, dann muss man sich dafür konkret einsetzen. Der Druck muss natürlich von den Regionen selbst kommen, die EU-Bürokraten und die Nationalstaaten werden sich dagegen wehren. Wir Freiheitlichen haben erstmals beim Dreierlandtag in Riva im Jahr 1996 gefordert, die Länder mögen sich dafür stark machen, in künftigen EU-Verträgen auch Regionen institutionell zu verankern. Dafür werde ich mich persönlich auch künftig einsetzen, denn: geht nicht, gibt’s nicht!
Beste Grüße
Pius Leitner
Antwort von Herbert Dorfmann (eingelangt um 16.48 Uhr)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Einleitend möchte ich feststellen, dass es sicher an der Politiker im Europäischen Parlament und nicht an den Beamten des Parlaments liegt, die politische Zukunft der EU zu gestalten. Die SVP und ich selbst haben immer für eine Stärkung der Regionen im institutionellen Gefüge der Union gearbeitet. Natürlich bin auch ich mir bewusst, dass die Rolle der Regionen auch innerhalb der Staaten heute heterogen ist und der Ausschuss der Regionen über weite Strecken ein zahnloser Tiger ist. Trotzdem geht es darum, die Rolle der Regionen in ihren verschiedensten Ausprägungen zu stärken: als Regionen an und für sich und vor allem die Zusamenarbeit zwischen Regionen als Europaregionen, GVTZ und Makroregionen. Das versuchen wir als SVP auch in bei dieser Wahl, indem wir die Zusammenarbeit der drei Landesteile des historischen Tirol auch bei der Vertretung im EP auf neue Beine stellen wollen. Sollte ich gewählt werden, können Sie sicher sein, dass es nicht beim Reden bleibt. Ich werde für die Europaregion in Brüssel das tun, was man dort eben bewegen kann.
Die Regionen können ihre Rolle aber auch selbst stärken, indem sie beispielsweise Europäische Richtlinien selbst in regionales Recht umsetzen, sofern sie die Kompetenz dazu haben. Wir in Südtirol haben diese Kompetenz und sollten sie auch stärker nutzen.
Ich bin aber auch überzeugt, dass ein wirklicher Regionalismus in Europa nicht wachsen kann, wenn die Nationalstaaten nicht schwächer werden. Wer also die EU ablehnt, stärkt damit automatisch die Staaten und tut der Idee eines Europa der Regionen sicher nichts Gutes.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass die SVP und ich für ein Europa der Regionen sind. Der Weg dorthin ist lang, aber er hat begonnen. Noch vor 15 Jahren wäre die Zusammenarbeit innerhalb des historischen Tirols in der heutigen Form nicht möglich gewesen. Wer hat sie möglich gemacht: Italien, Österreich oder die Europäische Union?
Herzlichen Gruß
Herbert Dorfmann
Antwort von Johann Gruber (eingelangt um 17.08 Uhr)
Sehr geehrter Herr Landeskommandant,
unsere Position als Italia dei Valori/Südtirol der Werte ist allgemein jene, dass wir – ganz unserem Namen entspechend – den Werten verpflichtet sind und uns auf allen Ebenen dafür einsetzen.
Konkret, und mit Bezug auf Ihre Anfrage, sind wir für das Recht auf Selbstbestimmung der Völker, für ein Europa als Solidargemeinschaft und für das Subsidiaritätsprinzip. Die EU ist zurzeit eine Staatengemeinschaft, in der die Regionen in der Tat eine untergeordnete Rolle spielen; dies kann sich aber ändern, und nur weil Herr Warasin etwas für undenkbar hält, heißt das noch lange nicht, dass es nicht früher oder später zur Realität werden kann (Herr Warasin ist ja schließlich kein Hellseher).
Wir als SdW stehen einem “Europa der Regionen” grundsätzlich positiv gegenüber, bedauern aber, dass einige aktuelle Initiativen zur Abspaltung bestimmter Regionen (z.B. Katalonien, Schottland) von den jeweiligen Staatsgebilden (diesfalls Spanien, Großbritannien) einen eher egoistischen, eigenbrötlerischen Beigeschmack haben (etwa nach dem Motto: “wir spalten uns ab, weil es uns dann besser geht” oder “weil wir eine andere Mentalität haben als JENE”, oder “wir wollen nicht für die Anderen zahlen”, u.ä.). Wenn diese, letzendlich fremdenfeindliche und unsolidarische Haltung überwunden würde, wären wir als SdW uneingeschränkt für ein Europa der SOLIDARISCHEN Regionen!
Mit freundlichen Grüßen,
Johann Gruber