SNP und der Weg in die Unabhängigkeit
Der Weg in die Unabhängigkeit
EDINBURGH – Der Verlust sowie das jetzige Wiedererstreben der Unabhängigkeit stehen in einem direkten Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aspekten. Der Patriotismus spielt hierbei eine geringere Rolle, als vielleicht so mancher angenommen hätte. 1707, im „Act of Union“, wurde der Grundstein für die Zusammenlegung der beiden Königreiche Schottland und England gelegt und das neue Königreich Großbritannien aus der Taufe gehoben.
Das schottische Parlament wurde aufgelassen und mit dem englischen zum britischen Parlament vereint. Somit teilten die beiden Länd nicht nur denselben König, sondern waren fortan auch politisch vereint. Die Frage, die sich aufdrängt, lautet: Warum hat das schottische Parlament dem „Act of Union“ zugestimmt? Man muss dazu wissen, dass Schottland zu jener Zeit am wirtschaftlichen Abgrund stand. Das Land litt unter enormen Schulden, da es sich bei Kolonialisierungsversuchen verspekuliert hatte. Die Flucht in die Union weckte Hoffnungen, die Krise überstehen zu können. Zudem sorgte man sich wegen möglicher englischer Wirtschafssanktionen. Somit gab man lieber die Eigenständigkeit auf, wenngleich zu unterstreichen gilt, dass der Vertrag von der schottischen Bevölkerung eher abgelehnt wurde.
200 Jahre sollten vergehen, ehe sich die politische Fahrtrichtung wieder einigermaßen änderte. Das Bild bleibt aber dasselbe. In den 1920er und 30er Jahren stand es wiederum nicht gut um Schottland. Das Land befand sich in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Unabhängigkeitsstimmen wurden laut.
SNP, eine Partei, die sich der Freiheit verschrieben hat
Die „Scottish National Party“ (SNP) entstand im Jahr 1934 durch den Zusammenschluss der „Scottish Party“ und der „National Party“. Die Partei sieht sich selbst als sozialdemokratisch ausgerichtet und der Freiheit Schottlands verpflichtet. Und in der Tat setzt sich diese, seit ihrer Entstehung, energisch für die Unabhängigkeit Schottlands ein. Der Drang nach Eigenständigkeit erhielt u.a. durch Ölfunde in den 60er und 70er Jahren zusätzlichen Auftrieb.
Es beginnt eine Geschichte der vielen Volksabstimmungen. Im Jahr 1979 wird ein erstes Referendum über mehr Autonomie durchgeführt. Die SNP spielte dabei eine entscheidende Rolle. Trotz Mehrheit bewirkte diese Entscheidung aber nichts, da die geforderte Anzahl der nötigen Stimmabgaben nicht erreicht werden konnte. Es vergingen einige Jahre, bis durch einen Regierungswechsel in London wieder mehr Schwung in die Sache kam. Mit der neuen Regierung erwachten wieder neue Hoffnungen. 1997 konnte ein zweites Referendum abgehalten werden. Es gab eine breite politische Unterstützung, auch wenn nicht alle schottischen Parteien die gleichen Ziele verfolgten. Das Referendum wurde gewonnen und Schottland bekam nach 300 Jahren wieder sein eigenes Parlament mit gewissen Kompetenzen. Die SNP konnte ihre Stimmenanteile über die Jahre hinweg vermehren und versprach in den Wahlprogrammen immer wieder die Abhaltung eines Referendums zur Zukunft Schottlands. Im Jahr 2011 war es soweit. Die SNP erlangte im schottischen Parlament die absolute Mehrheit und sah somit die Stunde der Wahrheit gekommen. Das Volk habe gesprochen und der Auftrag sei klar, so die Auffassung der SNP. Das Abkommen von Edinburgh im Jahr 2012 zwischen David Cameron, Premierminister des Vereinigten Königreichs, und Alex Salmond, First Minister von Schottland, definiert die Spielregeln. Schottland wird im Herbst 2014 also mit einer klaren JA/NEIN Antwortmöglichkeit über die Frage: „Should Scotland be an independent country?“ abstimmen. Der Weg ist geebnet, das Vereinigte Königreich gab seine Zustimmung.
Mehrheit im Parlament, aber laut Statistiken (noch) keine Mehrheit für die Unabhängigkeit
In der Bevölkerung spürt man die Unsicherheit. Die Menschen sind verwirrt und uneins. Auf der einen Seite gibt es die schottische Regierung, welche die Vorteile eines unabhängigen Schottlands aufzeigt. Auf der anderen Seite ist da die Opposition, welche berechtigte, aber durchaus auch furchteinflößende Fragen aufwirft. Die Bürger sehen sich mit einem Frage-Antwort-Spiel konfrontiert. Es wirkt teilweise so, als würden die Befürworter der Unabhängigkeit vermehrt in die Defensive gedrängt. Laut Unabhängigkeitsbefürwortern würden auch die Medien eine „pro-UK-Position“ einnehmen. Die SNP versucht, bei der Bevölkerung Überzeugungsarbeit zu leisten. Gegenseitig halten sich Parteien und Gruppierungen Fakten und Zahlen vor, wie z.B. So-und-so-viel zahlt Schottland an Steuern und nur so-und-so-viel bekommt man wieder zurück. Kopfzerbrechen bereiten die Fragen nach der Finanzierung des Ölfonds oder die Schwierigkeiten mit der finanziellen Hilfe für Banken, falls diese erneut in Not geraten sollten usw. Die Fülle an Information ist zwar gut, doch sie erschwert es dem Bürger, sich einen Überblick zu verschaffen. Wem soll man denn vertrauen? Während viele Bürger die Frage: „Warum sollte Schottland mit all seinen Ressourcen und Köpfen nicht in der Lage sein, sich selbst zu verwalten und zu erhalten, wenn es doch viel kleinere Länder auch schaffen?“ positiv bewerten, stiften andere Fragen wieder Ratlosigkeit. In den meisten Diskussionen steht die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Landes im Vordergrund. Eine weit weniger wichtige Rolle als man glauben könnte, spielen in dieser Debatte ideelle Überlegungen und patriotische Überzeugungen. Patriotismus lässt sich in Schottland nicht rein auf die Forderung nach Unabhängigkeit reduzieren. Es gibt auch schottische Patrioten, die den Weg der Unabhängigkeit nicht teilen. Zudem wird die Debatte um die Unabhängigkeit teilweise nur auf eine Partei reduziert beziehungsweise gar nur auf einen Mann, den First Minister.
Die SNP verfügt über die Mehrheit im Parlament, aber noch nicht über die Mehrheit für einen eigenen Staat Schottland. Viele Wähler sind noch unentschlossen und den Umfragen kann man nicht so sehr trauen. Die „YES“ Befürworter liegen bei ca. 30%. Viele Wähler werden auch gebürtige Engländer sein. Salmond und die SNP machten bereits einige Zugeständnisse und vertreten die Meinung, dass die Queen weiterhin Staatsoberhaupt bleiben solle und Schottland das Pfund Sterling behalten werde.