MERAN – Zusammenhalt, das ist entscheidend, wenn ein Volk etwas erreichen will. Es braucht den Willen und den Mut, etwas zu verändern. Und das war beim Unabhängigkeitstag in Meran zu spüren. Die Tiroler nehmen ihre Zukunft wieder selbst in die Hand. Über 10.000 Menschen waren am 18. Mai gekommen. Aufbruchstimmung lag in der Luft.
Die Großveranstaltung des Südtiroler Schützenbundes stand unter dem Motto „iatz! Mehr Freiheit und Unabhängigkeit“ und hat so manche Erwartung übertroffen. Mit Tiroler Flaggen schwenkend wurde die Passerstadt in Beschlag genommen. Das Volk selbst treibt nun die Entscheidung zur Unabhängigkeit Südtirols voran. Die Südtiroler wollen frei darüber entscheiden, wo und wie sie in Zukunft leben wollen.
Ein Teilnehmer des Volksfestes meinte:
Wenn das so weiter geht, dann wird uns Italien noch ruinieren. Italien respektiert unsere Autonomie nicht mehr, nimmt uns andauernd Zuständigkeiten und streicht uns Geld, das uns zusteht. Unser Volk hat alles versucht, um mit diesem Staat halbwegs zurechtzukommen. Es reicht, wir müssen weg von Italien.“
Verschiedene Südtiroler Verbände und Landtagsparteien haben die Möglichkeit genutzt, ihre Zukunftsvisionen für das südliche Tirol darzulegen. Ein unterhaltsames Rahmenprogramm mit verschiedenen Brauchtumsgruppen und Künstlern wurde geboten. Stimmige, musikalische Unterhaltung lieferte die Gruppe Volxrock. Auch Vertreter der nach Freiheit strebenden Völker aus Katalonien, Schottland, Baskenland, Flandern, Venetien, Triest, Tibet und Bayern waren gekommen und stellten ihre Bräuche und Kultur vor. Sie schilderten den Südtirolern ihre Situation. Sie kamen aber auch, um mit tausenden Tirolern aus Welsch-, Nord-, Ost- und Süd-Tirol gemeinsam zu feiern.
Es war ein Fest verschiedener Völker, die eines gemeinsam haben: Sie fordern die Unabhängigkeit und Freiheit ihrer Heimat. Jung und alt und besonders viele Familien füllten den Sandplatz in Meran.
Die Krise hat in den letzten Jahren viele wachgerüttelt, der Wunsch nach einem freien Südtirol wird immer größer“, sagte ein Mädchen selbstbewusst. „Es gab bis vor kurzen Leute, die keine Befürworter der Unabhängigkeit waren, aber viele haben jetzt ihre Meinung geändert“, ergänzte ihre daneben stehende Freundin.
Der Schriftzug „Unabhängigkeit“, umgeben von einem weiß-roten Fahnenmeer, brachte klar zum Ausdruck, worum es den Teilnehmern ging. Das waren der Ruf und die Forderung an diesem Tag.
Die Marketenderin Verena Geier begrüßte im Namen des Südtiroler Schützenbundes die Teilnehmer:
Wir wollen über unsere Zukunft frei entscheiden können, und den Weg dorthin möchten wir frei wählen. Wir wollen uns nicht vor uns selber fürchten, vor der eigenen Freiheit, Selbstbestimmtheit und vor dem eigenen Mut“.
Es folgten die Grußworte von Bart De Valck aus Flandern und Matteo Grigoli aus Venezien. Christopher White aus Schottland klärte die Teilnehmer über das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland auf. Aus Katalonien und dem Baskenland waren Anna Arqué und Txente Recondo angereist, um über den Freiheitskampf ihrer Landsleute zu erzählen. Für die Isländer, die 300 Jahre lang unter dänischer Fremdherrschaft standen und dann die lang ersehnte Freiheit erlangten, sprachen Jóna Fanney Svavarsdóttir und Erlendur Thor Elvarsson, die zu Mut und Initiative aufmunterten.
Die Gastrede hielt Dr. Klaus Tschütscher, ehemaliger Regierungschef in der Regierung des Fürstentums Liechtenstein.
Wenn es keine Einigungen über mehr Freiheit und Unabhängigkeit gibt, dann werden sich die Wege der Völker Europas in die Freiheit öffnen. So die Botschaft an die Zentralregierungen Europas. Denn nicht nur in Südtirol ist der Ärger über die ständigen Eingriffe in die autonomen Zuständigkeiten gewachsen.
Der Höhepunkte war die Hauptrede von Landeskommandant Elmar Thaler.
Bereits im Vorfeld bekräftigte Elmar Thaler, dass Italien in naher Zukunft ein Nachbarland Südtirols sein wird. Er prangerte dabei das Zaudern vieler Verantwortungsträger in Sachen Mehr Freiheit und Unabhängigkeit an. „Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage wovor“, so Thaler, der damit unterstrich, dass im Lande viele Menschen sich in dieser unsicheren Situation endlich Taten für die Loslösung Südtirols von Italien wünschten. In seinen Worten zeigte er viele Lösungsansätze auf und unterstrich dabei die starke Bindung zum Vaterland Österreich und zu den restlichen Tiroler Landesteilen:
Woher würden wir die Forderung nach Selbstbestimmung nehmen, wenn wir nicht Teil eines abgetrennten Volkes, nämlich des Tiroler Volkes sind. Darauf und auf nichts anderes stützt sich unser moralischer Anspruch auf die Selbstbestimmung.“
Anspielend auf ein fertiges Konzept meinte er treffend, dass es kein Patentrezept gibt, aber Wege nur entstehen würden, wenn man sie geht. Seine vielbeachtete Rede beendete Landeskommandant Thaler mit den Worten:
Deshalb werden wir alles daran setzten, dass auch in unserem Land Schluss mit italienischen Verhältnissen ist. Von unseren Politikern erwarte ich mir, dass sie nach dem heutigen Tag sich ausnahmslos nicht mehr auf die Geleise stellen und versuchen, sich dem Zug entgegenzustemmen. Wagen wir gemeinsam den mutigen Schritt mit einem kraftvollen Sprung. Heute, morgen und an jedem Tag, bis auf das wir endlich die Freiheit erlangen.“
Abschließend dankte Andreas Leiter-Reber als gastgebender Bezirksmajor im Namen der Südtiroler Schützen allen Anwesenden für das Kommen und zeigte sich sichtlich erfreut, dass der Begriff „Freiheit“ so positiv besetzt wurde.
Südtirol ist eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Italiens, verliert aber immer mehr den Anschluss an deutsche und österreichische Bundesländer und hinkt ihnen immer mehr hinterher. „Wir haben unsere eigene Sprache und unsere eigene Kultur. Wir sind keine Italiener, und das soll auch so bleiben“, sagte ein freundlicher Teilnehmer und fügt dann – sofort und ungefragt – an: „Wir sind gegen unseren Willen bei diesem Staat.“ Seit Jahren fordern nun die Südtiroler in verschiedenen Kundgebungen selbstbewusst den italienischen Staat heraus. Die Forderungen nach einer Regierung, einem Parlament, einer Gerichtsbarkeit und einer Polizei, mit der sich die Südtiroler identifizieren können, werden immer lauter.
Der Unabhängigkeitstag war ein großer Erfolg. Die Südtiroler sind keine gewaltbereiten Separatisten. Tirol ist durch Krieg und gegen den Willen des Volkes geteilt worden. Nun wollen die Tiroler dieses Unrecht mit friedlichen und demokratischen Mitteln wieder gut machen. Und sie wissen, dass dabei eines entscheidend sein wird: Der Zusammenhalt und der Wille, etwas zu verändern.