BOZEN/INNSBRUCK – Der Großoffizier des Ritterordens vom Heiligen Grabe zu Jerusalem und frühere Oberhirte der Diözese Innsbruck, Alt-Bischof Dr. Reinhold Stecher, hat am 29. Jänner 2013 im Alter von 91 Jahren die Seele in die Hand seines Schöpfers zurückgegeben.
Am 28. Jänner 2013 abends hatte Alt-Bischof Reinhold Stecher noch einen Gottesdienst mit Predigt in der Kapelle des Sanatoriums Hochrum zelebriert, wenig später erlitt er einen Herzinfarkt und wurde sofort in die Innsbrucker Universitätsklinik eingeliefert.
Das Requiem für Alt-Bischof Stecher findet am Samstag, den 2. Februar 2013 um 11.00 Uhr im Innsbrucker Dom statt.
Im Gedenken an Alt-Bischof Dr. Reinhold Stecher
(*22.12.1921 † 29.01.2013)
Bischof Reinhold Stechers großartige Persönlichkeit war gekennzeichnet von Herzlichkeit, Toleranz und Grundsatztreue sowie von der Liebe zur Heimat. Die Jahre seiner Jugend waren geprägt von Gefängnis, Front und sehr viel Schrecklichem.
„Kurz vor Weihnachten 1980 erhielt ich einen Anruf von Bischof DDr. Paulus Rusch, ich sollte kommen, er habe mir etwas mitzuteilen. Ich machte mich auf und ging zum Haus Domplatz 5, wusste nicht, was mir nach dem oberhirtlichen Anruf bevorstünde“. So erzählte einmal Altbischof Dr. Reinhold Stecher von seiner hohen Berufung, denn Papst Johannes Paul II. ernannte den so beliebten Tiroler Volksbischof am 20. Dezember 1980 zum Bischof von Innsbruck.
Sein Wirken war ein Segen für das Land Tirol!“ (Dr. Heinz Wieser)
Aus der Hand von Bischof Rusch und den Mitkonsekratoren Bischof Dr. Josef Gargitter von Bozen-Brixen und Bischof DDr. Bruno Wechner von Feldkirch empfing Dr.Reinhold Stecher am 25. Jänner 1981 die Bischofsweihe. Unter seinem Wahlspruch „Servire et confidere “ – „Dienen und Vertrauen“ hat er sich die moralische Instanz erworben, auch zu aktuellen tagespolitischen Themen Stellung zu beziehen. Stechers Beliebtheit im Tiroler Volk nahm bald seinen Lauf: er machte auch im Ruhestand auf sich aufmerksam durch profilierte Predigten, Verfassen von Artikeln und Büchern sowie durch Vernissagen, in denen er seine Bilder jeweils für einen guten Zweck in die Öffentlichkeit brachte. Innsbrucks heutiger Bischof Dr. Manfred Scheuer nannte Stecher einmal „Brunnenbauer mit Wasserfarben“, der mit seinem Engagement für die Initiative „Wasser für Leben“ die Finanzierung von Brunnenbauprojekten der Caritas in Mali ermöglicht. Stecher bewirkte immer wieder das Wunder, mit Wasserfarben Wasser für ein ganzes Dorf zu produzieren und mit leuchtenden Farben auch ein Leuchten in die Gesichter jener zu bringen, die diese Brunnen bekommen.
Er verstand es immer, die christliche Botschaft klar zu formulieren und die Menschen anzusprechen. „Es geschieht in unserem Lande so viel Gutes, das wieder viele Sünden zudeckt“, sagte Bischof Stecher. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass er den Ökumenischen Predigtpreis 2010 erhielt. Mit Engagement, Zielstrebigkeit und pastoralem Einsatz nahm sich Stecher auch verschiedener Probleme an und löste sie wie das Verbot des jahrhundertealten Kultes um Anderl von Rinn. Er bot Geschiedenen seine Hilfe an und trat für die Aufwertung der Kirche ein. Seine 16-jährige Regierungszeit im bischöflichen Amte verfügte über Höhepunkte, die nur selten ein Bischof erlebt. Zu den bedeutendsten Ereignissen zählten der Besuch des Heiligen Vaters in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck am 27. Juni 1987, die Renovierungsarbeiten seiner Kathedralkirche, des Domes zum hl. Jakobus, die am 25. Oktober 1993 feierlich abgeschlossen werden konnten, und die Seligsprechung von Pfarrer Otto Neururer, der dem ehemaligen Innsbrucker Oberhirten die erste hl. Kommunion reichte, am 24. November 1996 in Rom.
Der Sohn des damaligen Landesschulinspektors Dr. Heinz Stecher begann kriegsbedingt in dem in St. Michael bei Matrei a. Br. untergebrachten Priesterseminar das Theologiestudium. Nach der Vertreibung durch die Gestapo setze er das Studium in St. Georgen am Längsee in Kärnten fort. Im Frühjahr 1941 wurde Stecher im Zusammenhang mit der Aufhebung des Wallfahrtsortes Maria Waldrast für zwei Monate in Haft genommen. Wie Bischof Stecher erzählte, sah er nachts in der Zelle durch das kleine vergitterte Fensterchen den immer dunkler werdender Abendhimmel. Das war eine triste Situation, denn er wusste aus dem KZ gab es keine Wiederkehr. Und er hat sich nicht als Held gefühlt, das war nicht die Lage, in der man sich als Held fühlt. Ein „Lausbub“ aus der illegalen Jugendgruppe, der wusste wo die Zellen der Inhaftierten waren, er hatte sich an einen Baum gelehnt und Lied gepfiffen. Es war ein Lied, dessen Melodie nur die Jugendlichen aus der Gruppe kannten, aber nicht die SS. Es war die Melodie zum Hohen Lied: „Stark wie der Tod ist die Liebe, ihr Licht ist wie Leuchten des Feuers, das können die Wasser nicht löschen, und die Ströme nicht überfluten.“
Die Gestapo beschlagnahmte namens der Reichsregierung Kloster und Kirche von Maria Waldrast. Nun geschahen zwei Dinge, die der geheimen Staatspolizei in die Knochen fuhren: Das erste war eine Protestwallfahrt, bei der 600 Gläubige vor der versperrten Kirche Rosenkranz beteten. Weiters retteten in einer halsbrecherischen Aktion zwei junge Matreier Katholiken eines Nachts das Gnadenbild. Ein Zufall und Intervention von Bischof DDr. Paulus Rusch retteten Stecher vor dem Konzentrationslager. In diesem Zusammenhang kam der Altbischof immer wieder auf die Schrecken der Naziherrschaft zu sprechen, um unsere gegenwärtige Verantwortung zu unterstreichen. Seine Erinnerung soll uns Mut machen, heute Menschen mit Zivilcourage zu sein, die entschieden jede Form des sozialen Todes, jede Form der Ungerechtigkeit ablehnen und sich unabhängig von menschlichen Unterschieden den Notleidenden zuwenden.
Am 19. Dezember 1947 empfing er aus der Hand von Bischof DDr. Paulus Rusch das Sakrament der Priesterweihe.
Beispielhafte Toleranz hat Stecher sowohl in seinem Einsatz für die Flüchtlinge als auch in seinem Kampf gegen den Antisemitismus gezeigt.
Anlässlich seines 30-jährigen Bischofsjubiläums nahm Bischof Dr. Stecher zur gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche Stellung und gab zu bedenken, dass 1939, als er sich auf den Weg zu Bischof Rusch machte, um sich als Theologiestudent vorzustellen, die Kirche chancenlos, entmachtet und geplündert war. Diese Erfahrung hat in ihm den Glauben und das Vertrauen gestärkt, dass trotz aller Verwirrungen und Hindernisse ein Größerer am Werk ist. Der Heimgegangene merkte in seiner Bescheidenheit und Herzlichkeit noch an, dass er sein Leben im Vertrauen auf Christus hat leben dürfen. Nie hat er sich zum Bischofsamt berufen gefühlt, weshalb er all jenen besonders dankt, die ihn begleitet haben und mit ihm gegangen sind: in Freundschaft, in Fürsorge, als Hilfe und Unterstützung. Dank sagte er auch den Medien, „die mich wohlwollend und sanft behandelt haben.“ „Ich danke aber auch besonders jenen, die mich kritisch begleitet und auf den Boden geholt haben“, meinte Bischof Stecher. Große Dankbarkeit empfand er auch gegenüber der evangelischen Kirche und der Israelitischen Kultusgemeinde, hat er doch in der Zeit seines oberhirtlichen Wirkens einen Wandel in den Beziehungen miterleben dürfen. 1997 übergab er den Hirtenstab seinem Nachfolger, Bischof Dr. Alois Kothgassser. Sein Wirken war ein Segen für das Land Tirol!
Dr. Heinz Wieser