Kampagne „Yes Scotland“ – Fakten zu einer evtl. Unabhängigkeit Schottlands

EDINBURGH – Der Startschuss der Kampagne „Yes Scotland“ für die Unabhängigkeit Schottlands ist bereits im Mai gefallen. Abgestimmt wird im Herbst 2014. Bis dahin müssen die Separatisten die Bürger noch davon überzeugen, dass sie abgespalten von Großbritannien besser dastehen werden.

Auf der Internetseite von „Yes Scotland“ (www.yesscotland.net) gibt es einen sehr interessanten Beitrag, der zum Teil wohl auch bei einer Unabhängigkeit unseres Landes zutreffen würde.

Quelle: http://www.yesscotland.net/your_questions_on_the_eu_answered

Ins Deutsche übersetzt wurde der Beitrag von Schützenkamerad Andreas Göller aus Vahrn.

Wird Schottland auch weiterhin Mitglied der EU sein?

Ein unabhängiges Schottland wird Mitglied der EU bleiben und muss nicht erneut um die Mitgliedschaft in der EU ansuchen.

„Unter dem politischen Gesichtspunkt gesehen ist Schottland seit 40 Jahren Mitglied der EU und seine Bürger haben Rechte als Europäische Staatsbürger erworben. Wenn sie in der EU bleiben wollen, könnten sie kaum aufgefordert werden, die EU zu verlassen und dann erneut um die Mitgliedschaft ansuchen so wie es die Bürger eines Nichtmitgliedstaates wie die Türkei tun müssen. Dies kann anhand eines anderen Beispiels erläutert werden: Würde eine Teilung Belgiens zwischen Wallonien und Flandern vereinbart werden, so ist es nicht vorstellbar, dass andere EU Mitgliedstaaten verlangen würden, dass 11 Millionen Menschen die EU verlassen und dann erneut um die Mitgliedschaft ansuchen.“

Das ist die Meinung des Experten Graham Avery, der 40 Jahre lang als leitender Beamter in Whitehall (Anmerkung: Whitehall ist das Regierungsviertel in London) und Brüssel gearbeitet hat und auch an den Verhandlungen über die EU-Erweiterung teilgenommen hat. Er ist eine unabhängige Stimme und stand sowohl den Argumenten der Befürworter als auch der Gegner der Unabhängigkeit kritisch gegenüber.

Er ist außerdem hoch angesehen. Er ist Senior-Mitglied vom St. Antony College Oxford, Chefberater im European Policy Centre (Anmerkung: dies ist eine Einrichtung bei der EU, die sich mit der europäischen Integration beschäftigt) und er war fellow (dies ist eine Art Gastprofessor) am Institut für Internationale Angelegenheiten an der Harvard Universität und am Robert Schumann Institut am Europäischen Hochschulinstitut Florenz. Er ist ein Ehrenabteilungsleiter der Europäischen Kommission.

In seiner Ansprache im House of Commons (Anmerkung: dies ist das Unterhaus des britischen Parlaments, also jene Kammer, die im britischen Verfassungssystem gesetzgebende Funktion hat) sagte er:

„Vorbereitungen für die Mitgliedschaft Schottlands in der EU müssten gleichzeitig mit der Unabhängigkeit getroffen werden; Schottlands 5 Millionen Einwohner sind seit 40 Jahren Mitglied der EU und haben Rechte als EU-Bürger erworben. Aus praktischen und politischen Gründen könnte von ihnen nicht verlangt werden, die EU zu verlassen und dann erneut um die Mitgliedschaft anzusuchen. Verhandlungen über die Bedingungen der Mitgliedschaft würden in der Zeit zwischen dem Referendum und dem Datum der geplanten Unabhängigkeit stattfinden. Die EU würde für die Verhandlugnen ein vereinfachtes Verfahren anwenden und nicht das normale Verfahren für den Beitritt von Nichtmitgliedstaaten.“

Das von der „No campaign“ (Anmerkung: dies sind die Gegner der Unabhängigkeit) vorgebrachte Hauptargument ist, dass Schottland aus der EU ausscheiden würde, wenn es unabhängig würde und dass folglich ein erneutes Ansuchen um die Mitgliedschaft notwendig wäre.

Natürlich würde das, was die „No campaign“ in Bezug auf Schottland sagt, z. B. auch auf Flandern Anwendung finden, wenn es die Unabhängigkeit anstreben würde. Wie Herr Avery sagt, ist es unvorstellbar, dass Flandern zuerst die EU verlassen und dann erneut um die Mitgliedschaft ansuchen müsste. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Sitz der Europäischen Regierung und des Europäischen Parlaments dann außerhalb der EU liegen würde.

Es gibt außerdem wichtige rechtliche Gründe, die den Standpunkt der „No campaign“ haltlos machen. Deren Behauptungen basieren auf dem Völkerrecht, aber sie bieten keine Grundlage im Europarecht. Es ist aber gerade das Europarecht, das letztendlich über diese europäische Frage entscheiden wird.

Mittlerweile gibt es eine Bestimmung in den EU-Verträgen, die einen Mechanismus für die Verhandlungen über den Austritt aus der EU vorsieht. (Es gibt außerdem den Präzedenzfall Grönland; das Land durchlief lange Verhandlungen, um aus der damaligen EG auszutreten). Es ist einfach nicht glaubhaft, dass die EU zwei Jahre damit verbringen würde, Schottlands Austritt aus der EU zu verhandeln, um dann weitere zwei Jahre über den erneuten Beitritt zu verhandeln.

Die neue Austrittsbestimmung wurde eingeführt, um die Interessen der Bürger in der EU zu schützen. Aidan O’Neill, ein bekannter QC (Anmerkung: QC steht für Queen‘s Counsel; dies sind die bekanntesten und erfahrensten Anwälte in GB) und Verfassungsrechtsexperte, sagte, dass Schottland durch die Unabhängigkeit keine Freikarte zum Austritt aus der EU erhalten würde. Er hinterfragt zudem, ob die Unabhängigkeit den schottischen Bürgern die Rechte entziehen könnte, die sie als EU-Bürger bereits erworben haben.

Seine Schlussfolgerung – basierend auf Europarecht – ist, dass ein unabhängiges Schottland und der Rest von GB in die Position Großbritanniens als Mitglied der EU nachfolgen, einzig mit dem Unterschied, dass es dann zwei Staaten anstelle von nur einem wären.

In Zusammenschau betrachtet sagt uns dies, dass ein unabhängiges Schottland Teil der EU bleiben wird. Ein Austritt und erneuter Beitritt ist nicht erforderlich.

Die Position der schottischen Regierung macht dies klar: „Wie viele Experten bereits bestätigt haben, ist Schottland Teil des Gebiets der EU und sind die Bürger Schottlands Bürger der EU – es gibt keine Bestimmung, die eine Änderung dieser Tatsachen infolge der Unabhängigkeit bringen würde; auch der Rest von GB wird in derselben Position sein. Beide Staaten werden Nachfolgestaaten sein und genau denselben Stellenwert innerhalb der EU haben.“

Viele andere Experten pflichten dem bei:

– Eamonn Gallagher, vormaliger leitender Beamter der EU-Kommission und EG-Botschafter bei der UNO in New York: „Schottland und der Rest von GB würden gleichermaßen berechtigt sein, ihre Mitgliedschaft in der EU vollumfänglich fortzusetzen. Sunday Herald, 18. Februar 2007.

– Emile Noel, der erste und am längsten dienende Generalsekretär der EU-Kommission: „Schottlands Unabhängigkeit würde aus einem zwei neue Mitgliedstaaten schaffen. Diese würden den gleichen Status im Verhältnis zueinander und im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten haben. Rest-GB würde sich nicht in einer mächtigeren Position als Schottland befinden.“

– Lord Mackenzie-Stuart, ein schottischer Richter am Europäischen Gerichtshof zwischen 1973 und 1988 und dessen Präsident von 1984 bis 1988: „Die Unabhängigkeit würde Schottland und den Rest auf demselben rechtlichen Schiff belassen. Wenn Schottland erneut um den Beitritt ansuchen müsste, so müsste dies auch der Rest von GB. Die Anregung, dass es im Falle einer Unabhängigkeit einen Unterschied in Bezug auf den Status von Schottland und dem Rest von GB in der EU geben würde, macht mich ratlos.“ Scotland on Sunday, 8. März 1992.

Wird GB (oder ein anderer Mitgliedstaat) Schottlands Mitgliedschaft in der EU blockieren?

Die Regierungen von GB und Schottland sind sich einig, das Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums zu akzeptieren. Dies bedeutet, dass im Falle eines Ja die Regierung von GB den Wünschen der Schotten nachkommen wird, einschließlich der Erlassung von Gesetzen, die zur Durchführung der Unabhängigkeit notwendig sind. Schottland wird mit der Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten unabhängig werden.

Einige haben vorgebracht, dass Spanien versuchen könnte, die Mitgliedschaft Schottlands in der EU zu blockieren. José Garcia-Margello, der spanische Staatssekretär im Außenministerium, hat jedoch gesagt: „Wenn in GB sich beide Parteien einig sind, dass dies mit ihrer Verfassung in Einklang steht, wird Spanien nichts dagegen einzuwenden haben. Das geht uns nichts an. Die Verfassung in GB ist eine Sache, die Verfassung in Spanien eine andere. Es liegt bei ihnen.“

Wird es ein weiteres Referendum betreffend die Mitgliedschaft in der EU geben?

So wie es in GB heutzutage viele gibt, die ein Referendum über den Austritt aus der EU wollen, könnten die Schotten eine Regierung wählen, die Schottlands Beziehung mit der EU zu ändern versuchen würde. Wenn die Schotten eine Regierung wählen, die ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft will, dann würde es ein solches Referendum geben.

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