Österreich nach 1945: Prominente Zeitzeugen erinnern sich

Neuerscheinung „Generation Österreich“ erzählt von prägenden Momenten der Zweiten Republik

BOZEN/WIEN – Welche Ereignisse haben Österreich in den Jahren nach 1945 geprägt und welche Momente waren identitätsstiftend für die Generationen der Zweiten Republik? Diese Fragen versucht das Buch „Generation Österreich“, das am Montagabend im Parlament präsentiert wurde, zu beantworten. Die Autoren Gerhard Jelinek und Birgit Mosser-Schuöcker haben 37 Zeitzeugen befragt, die sich an Meilensteine in Politik, Kultur, Sport und Alltag erinnern. Bekannt sind die beiden Autoren in Südtirol unter anderem auch durch ihren Auftritt 2011 auf Schloss Sigmundskron, anlässlich der Veranstaltung „50 Jahre Feuernacht“.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) nennt das Buch „eine Zeitreise, die Einblicke in persönliche Empfindungen gibt.“ Bei der Buchvorstellung im Parlament in Wien erzählten drei der Interviewten von ihren prägenden Erlebnissen. Die Grünen-Gründerin Freda Meissner-Blau erinnerte sich an die Besetzung der Hainburger Au: „Ich hätte nie gedacht, dass die Besetzung Geschichte schreiben wird, wir wollten nur dieses letzte Stückchen Schönheit an der Donau bewahren.“ Auf die Barrikaden steigen würde sie jederzeit wieder, meinte sie, eine Partei gründen aber „eher nicht“.

Skilegende Karl Schranz erzählte vom Olympiaboykott und meinte: „Durch unsere Skierfolge haben wir dazu beigetragen, dass man in Amerika wusste, wo Österreich ist.“ Der Fotograf Erich Lessing, der das berühmte Staatsvertrag-Foto am Balkon des Belvedere schoss, erzählte, er wisse nicht, ob Leopold Figl wirklich die Worte „Österreich ist frei“ sagte, „dafür habe ich von meinem Platz aus nicht gut genug gehört“.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM anlässlich des Buchprojekts wurden die Österreicher nach ihren stärksten Erinnerungen befragt. „Überraschend für uns war“, sagte Jelinek, „dass die Top-Erinnerung der Tod von Jörg Haider ist“. Unter den am häufigsten genannten Ereignissen befanden sich hauptsächlich Kriminalfälle und Katastrophen, etwa das Seilbahnunglück in Kaprun, über das auch im Buch berichtet wird.

Neben dem EU-Beitritt und der Abstimmung zum Kernkraftwerk Zwentendorf sind auch Sportereignisse stark im Gedächtnis der Österreicher verankert. „Als 1956 Toni Sailer dreimal Gold geholt hat, war das ein defining moment“, meinte Jelinek, „ein Moment des Selbstbewusstseins für Österreich“.

Im Interviewband erzählt außerdem Christl Schönfeldt, wie sie den ersten Opernball organisiert hat und Martha Kyrle, Tochter von Bundespräsident Adolf Schärf, erinnert an ihre Begegnung mit Jackie Kennedy 1961 in Wien. Hans Joachim Stuck spricht über Niki Laudas Feuerunfall und Paul Lendvai erklärt die „Affäre Waldheim“. Erik Nauta, Untersuchungsrichter im Briefbombenfall Franz Fuchs, erzählt in dem Band zum ersten Mal von seinen Erfahrungen damals.

Zur Buchpräsentation, die wegen des großen Andrangs in den geräumigen Budgetsaal des Parlaments verlegt worden war, waren auch viele der Interviewten gekommen: die ehemalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (V), Ex-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V), die steirische Ex-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (V), „Mundl“-Darsteller Karl Merkatz und der Journalist Hans Magenschab besuchten die Veranstaltung.

Die Interviews für das Buch fanden vor laufender Kamera statt und werden im Jänner und Februar 2013 als Dokumentationsreihe auf ORF III ausgestrahlt.

Das SSB-Online Team hat die Autorin Birgit Mosser Schuöcker zum Buch befragt:

Frau Mosser, anlässlich „50 Jahre Feuernacht“ waren Sie zusammen mit Gerhard Jelinek beim Südtiroler Schützenbund auf Sigmundskron zu Gast. Nun bringen Sie beide ein Buch heraus, das die Geschichte Österreichs auf spannende Art und Weise erzählt. Kommt auch Südtirol darin vor?

Birgit Mosser Schuöcker: Ja, der Südtirolkonflikt der sechziger Jahre ist Teil des Buches. Als Zeitzeugin haben wir die BAS-Aktivistin Herlinde Molling gewählt. Sie berichtet, wie sie mit Sprengstoff und ihrer dreijährigen Tochter im Auto in eine Kontrolle der italienischen Sicherheitsorgane geriet und noch am gleichen Tag einen Mast sprengte. Die Südtiroler Bombenanschläge haben wir deshalb in unser Buch aufgenommen, weil wir aus den Reaktionen auf unser Buch „Herz.Jesu.Feuernacht“ wissen, dass dieses Thema bei der älteren Generation in Österreich immer noch sehr präsent ist.

Was ist das besondere an Ihrem Buch?

Birgit Mosser-Schuöcker: Unser Ziel war es, Geschichte möglichst packend und berührend zu vermitteln. Daher haben wir 37 Interviews mit Menschen geführt, die bei einem prägenden Moment der österreichischen Geschichte unmittelbar dabei waren. Ihre „Geschichten zur Geschichte“ werden zunächst in der Ich-Form erzählt, und dann in einen objektiven Kontext gerückt. Das Buch soll eine Zeitreise in die jüngere österreichische Vergangenheit sein, spannend und informativ zugleich.

Sie sind mit dem Buch der Frage nachgegangen, welche Ereignisse Österreich in den Jahren nach 1945 geprägt  haben?

Birgit Mosser-Schuöcker: Ja, in unserem Buch geht es um das Entstehen des Österreich-Bewusstseins. Was formt die kollektive Erinnerung, was gehört zum gemeinsamen Erfahrungsschatz der „Generation Österreich“? Es sind die „prägenden Momente“: Siege und Niederlagen, Freudentage und Katastrophen, Euphorie und Trauer, Zorn und Jubel, Stolz und Scham. Es sind kollektive Gefühle, die eine gemeinsame Identität schaffen.

Wann wird das Buch in Tirol vorgestellt?

Birgit Mosser-Schuöcker: Am Dienstag, den 13. November um 19 Uhr 30 in der Buchhandlung Tyrolia in Innsbruck.

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