MAINZ/BOZEN – „Südtirol auf Abwegen“, so lautete das Thema am 23. Oktober 2012 in der Sendung „Kulturzeit“ bei 3sat. Die Sendung reagierte damit auf die in letzter Zeit stark aufkommende Unabhängigkeitsbewegung in Südtirol. Nicht nur bei den Schotten, Katalanen und Flamen ist der Separatismus neu erwacht, sondern auch in Südtirol. Die Zugehörigkeit zu einem fremden Staat wird als Fessel empfunden und viele möchten diese abstreifen.
Im Vorspann berichtete die Moderatorin Cécile Schortmann über den Trend der Unabhängigkeit in Europa. Sie meint, dass es viele Südtiroler Leid hätten, Millionen um Millionen zur Sanierung des italienischen Staatshaushaltes beizusteuern. Ministerpräsident Mario Monti aber diktiere es so. Wenn Italien am Abgrund stehe, dann sei das ein nationaler Notstand. Eine Situation, die den Separatisten mächtig Aufwind gebe. Die Autonomie Südtirols reiche ihnen nicht mehr. Sie möchten unabhängig sein oder zurück zur Schutzmacht Österreich kehren.
Journalist Tilman Jens von 3sat war in Vahrn vor Ort, wo jüngst die feierliche Angelobung der Neuschützen stattgefunden hatte. Dort wurde der große Österreichische Zapfenstreich zelebriert. Laut Efrem Oberlechner vom Südtiroler Schützenbund sei es nicht selbstverständlich, dass die österreichische Bundeshymne in Südtirol gespielt und die österreichisch Fahne gehisste würde. Es sei dies nämlich ein Bekenntnis zum Vaterland Österreich. Und die Historikern Margareth Lun erläuterte, dass Tirol 555 Jahre lang zu Österreich gehört habe und dass dies die Heimat der Südtiroler sei. Die Südtiroler seien Österreicher und würden als Minderheit in einem fremden Staat leben.
Bis 1919 gehörte die malerische Berglandschaft südlich des Brenners zu Österreich. Nach dem Ersten Weltkrieg hat Italien Südtirol annektiert, obwohl kaum einer italienisch sprach. Jens meinte, das würden die 5.000 Südtiroler Schützen gerne rückgängig machen und deshalb hätten sie im April dieses Jahres einen großen Freiheitsmarsch abgehalten und dazu einen „bombastischen“ Film hinterhergeschickt. Die Schützen würden sich als Speerspitze der Unabhängigkeitsbewegung sehen.
Auch der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Elmar Thaler kam zu Wort: „Man hat mit denen nichts gemeinsam. Weder Sprache, noch Kultur, noch Geschichte. Und deshalb sagen einfach sehr viele Südtiroler, sie möchten da nicht länger dazugehören, sondern sie möchten ganz einfach, dass ihr Land in Zukunft nicht mehr zu Italien gehört.“
Berichtet wird im Filmbeitrag auch über den Freiheitskampf in den 1960er Jahren. Südtirols heutige Patrioten hätten der Gewalt aber längst abgeschworen. Zur Sprache kam durch Thaler auch ein Ärgernis der besonderen Art. An der Vorderfront des Bozner Finanzamtes thront bis heute hoch zu Ross der Duce: der faschistische Diktator Benito Mussolini. Es sei dies ziemlich unfassbar. Und für viele eine typische römische Provokation.
Zu Wort kam auch Landeshauptmann Luis Durnwalder, der dem Freiheitswillen nicht viel abgewinnen kann. Er stellte fest: „Den Leuten heute versprechen, dass wir einen neuen Staat mitten in Europa gründen können. Das nimmt ihnen ja niemand ab. […] In Europa will man, dass Grenzen abgebaut werden.“ Dazu konterte Elmar Thaler, dass vielfach gesagt würde, die Grenzen seien in Europa eigentlich unwichtig geworden. Dieser Meinung seien auch die Schützen. Und deshalb würde es sicher auch niemanden stören, wenn das alte Kronland Tirol wieder eine Region würde.
Der Südtiroler Schützenbund zeigt sich darüber erfreut, dass aus Südtirol nicht mehr über die angeblich weltbeste Autonomie berichtet würde, sondern darüber, dass es in Südtirol auch Personen gibt, die sich eine Loslösung Südtirols vom Staat Italien und ein Europa der Völker wünschen. Und das nicht nur wegen der derzeitigen schlechten wirtschaftlichen Situation, sondern auch wegen der kulturellen und historischen Begebenheiten.