Offener Brief an Brigitte Foppa

Liebe Brigitte Foppa,

ich freue mich sehr, dass du dich um unsere gemeinsame Zukunft so sorgst. Keine Angst, Gehen im Gleichschritt führt nicht per se zum Gleichdenken. Aber es drückt in unserem Falle aus, dass wir alle ähnliches denken. Nicht weil wir müssen, nein, weil wir wollen. Jedenfalls, jeder, der zu uns kommt – übrigens egal ob Welschtiroler oder Südtiroler – kann frei entscheiden, was er denken will. In diesem Sinne bläuen wir niemandem etwas ein. Das kann ich dir versichern.

Mich ärgert es ein bisschen, dass du nicht fair argumentierst und einfach Sachen hineininterpretierst, bei denen du selbst weißt, dass sie ganz anders sind („Ihr wollt Italien verlassen?“). Wir wollen nicht Italien verlassen. Wir wollen vielmehr, dass der Staat Italien unser Land verlässt. Weil wir überzeugt sind, dass jede der 4 Zukunftsvisionen der deutschen Parteien in Südtirol die bessere Lösung darstellt, als der Status quo. Aus geschichtlichen, gesellschaftspolitischen und zu guter Letzt – aus wirtschaftlichen Gründen.

Wir brauchen auch keine Anhänger zu suchen, wie du sagst. Das tun Politiker, die heute dies und morgen jenes sagen. Wir bestreiten mit dem Ergebnis unseres Einsatzes für unsere Heimat nicht unseren Lebensunterhalt. Das macht uns freier, wir können dann eben das sagen, was unsere Überzeugung ist und brauchen auf parteipolitische Ränkespiele keine Rücksicht zu nehmen. Auch darüber bin ich froh.

Liebe Brigitte, ich schätze dich für deine Klugheit. Deshalb ist es mir unverständlich, dass es dir entgangen ist, dass wir mit unserem Marsch keiner der vier Lösungen den Vorzug geben. Die Schützen entscheiden nicht für das Land und seine Menschen, aber sie werden beim Freiheitsmarsch ganz sicher dafür einstehen, dass die Politiker ihre salbungsvollen Worte der Vergangenheit endlich in Taten fassen.

Und selbst wenn unser Traum vom wiedervereinten Tirol wahr werden sollte: Wie du sicher leicht errechnen kannst, sind in einem vereinten Tirol von Kufstein bis Ala die Sprachgruppenverhältnisse für die italienische Volksgruppe gar nicht so schlecht:  ca. 1 Million deutschsprachigen Tirolern würden weit über 600.000 italienischsprachige gegenüberstehen. Also ein ganz anderes Verhältnis wie derzeit. In diesem Sinne, weil du mich fragst: Wir möchten mit niemandem irgendwie „umgehen“, auch nicht mit einer anderen Volksgruppe. Sondern wir möchten gemeinsam an der Zukunft bauen.

Und noch was, liebe Brigitte. Wir marschieren auch nicht gegeneinander. Sondern füreinander. Die Fragen zu Verschuldung und Wirtschaft, zu EU und Währung, die habt Ihr Politiker zu lösen. Dafür werdet Ihr bezahlt, dafür seid Ihr Politiker. Wir können euch nur sagen, in welche Richtung wir unsere Zukunft gestaltet haben möchten. Am 14. April werden wir dabei viele sein. Und in der Folgezeit immer mehr werden.

Elmar Thaler
Landeskommandant

 

 

 

 

Offener Brief an den Landeskommandanten

Lieber Elmar,

ich schreibe Dir, weil Du ja in wenigen Tagen Deine Schützen durch unsere Stadt Bozen marschieren lässt. Vorausgeschickt, dass mir jedes Marschieren suspekt ist (weil Gehen im Gleichschritt allzu leicht zu Gleichdenken führt) und ich in diesem Sinne auch den Großmarsch der Alpini beargwöhne, schreibe ich Dir hauptsächlich, weil mich dein Aufruf zum „Freiheitsmarsch“ und zum „Los von Italien“ sorgt.

Die Sorge kommt daher, dass ich im Vorjahr bei mehreren Podiumsdiskussionen der Schützen im ganzen Land zu Gast war und bei der Gelegenheit verstanden habe, wer ihr seid und was ihr vorhabt. Ich hab leider auch feststellen müssen, dass ihr bei den Jugendlichen sehr gut ankommt – und dass Ihr gerade bei ihnen den Hebel des gemeinsamen Feindes ansetzt: der italienische Staat.

Ja, denn ihr zeichnet euch gern als „Gefangene“, als „versklavte Bürger“ des „imperialistischen italienischen Staates“, der euch „unterjocht“ und „gegen eure Freiheit“ (lauter Ausdrücke, die ich von Euch gehört habe)  gefangen hält. Ich bin sicher, ihr werdet auch am 14. April mit Schildern auftreten, die „Freiheit“ fordern. Gewundert hab ich mich schon über diese vielen Jugendlichen, die sich im Ahrntal, in Gröden vom italienischen Staat unterjocht fühlen. Ich kann es ja verstehen, wenn dieses Gefühl von denen kommt, die den Faschismus oder die Italienisierungspolitik des Staates in der Nachkriegszeit miterlebt haben (für beides wäre seitens Italiens eine Entschuldigung ausständig) – aber wenn alle diese Jugendlichen das Gefühl der Unfreiheit haben, so ist es, weil Ihr, Elmar, es ihnen einbläut –, in jeder Rede, bei jeder Werbeaktion, bei jedem Marsch.

Unfreiheit? Achtung! Denn mit der Freiheit  ist es kein Spiel und hat es auch nicht eine Masche zu sein, um sich schnelle Anhängerschaft zu verschaffen. Vergleicht doch einmal Südtirol mit der DDR, mit dem von euch wohlstudierten faschistischen Italien, mit Kuba oder auch nur mit Putins Russland und dann sagt, dass wir nicht frei sind? Bei allen Mängeln des italienischen Staates: Wir leben in einem freien Staat! Auch Ihr Schützen! Ihr wollt Italien verlassen? Bitte, ihr seid frei noch heute zu gehen (war in der DDR nicht so einfach). Oder aber ihr wollt, das wir alle die Staatsbürgerschaft ändern? Gut, dann erklärt uns bitte, was ihr genau vorhabt. „Los von Italien“ – bedeutet das nun die Gründung einer neuen Republik? Oder dass wir bei Österreich oder der Schweiz um Aufnahme ansuchen?

Ich weiß, dass das Schützenstatut die Wiedervereinigung Tirols (bis Ala) vorsieht. Nun, wenn wir das umsetzen wollen, so möchte ich wissen, wie Ihr dann mit der italienischen Minderheit umgehen möchtet –  und vor allem wie Ihr den ItalienerInnen jene Freiheit garantiert, deren Mangel Ihr selber heute so lautstark beklagt.

Einige von Euch sind für die Gründung einen neuen Staates. Reden wir gerne auch darüber, denn es klingt ja nicht schlecht. Aber klärt uns auf darüber, ob Ihr der EU beitreten möchtet. Wie managt Ihr unsere Verschuldung und wie erfüllt ihr die wirtschaftlichen Auflagen? Gar nicht so einfach, gell? Würdet ihr also außerhalb der Eu bleiben? Eine eigene Währung gründen und versuchen auf dem Weltfinanzmarkt zu bestehen? Würdet Ihr Staatsobligationen ausgeben? Wer würde sich dafür interessieren?

Nein, liebe Schützen, es ist kein Spiel.

Mit lauten Sprüchen durch Bozen zu marschieren, das ist nicht so schwierig. Etwas komplizierter und aufwändiger ist es, einen neuen  – vielsprachigen und plurikulturellen –  Staat oder ein neues Bundesland zu gründen.

Dahingegen ist das, was wir in unserem Land täglich leben, ein würdiger Versuch demokratischen Zusammenlebens; Ein durchaus verbesserungsfähiger Versuch – aber immerhin mit einer beinahe 100-jährigen Geschichte.

Das alles wollen wir verwerfen? Von neu anfangen und womöglich all die bereits erlebten Kämpfe, Verletzungen, Fehler oder gar Toten noch einmal erleben?

Nein, lassen wir das Spielen und machen wir lieber Ernst mit dem Zusammenleben. Im Aufeinander-Zugehen, nicht  im Gegeneinander-Marschieren liegt die Zukunft unseres Landes.

Brigitte Foppa
Gemeinderätin in Bozen und Co-Landesvorsitzende der Grünen

Elmar Thaler, Foppa
Vinschger Schützen marschieren am 14. April geschlossen
Schützenzeitung Nr. 2-2012

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